Sculptur.
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Vergleichen wir diese persische Kunst mit der indi-
schen, so ist zwar beiden der Mangel einer tiefen durch-
geführten Individualität gemein. Besondere Charaktere
finden wir nicht ausgebildet, bei den Persern selbst fast
noch weniger. Ihrer Religion fehlte der mythiseh-poetisehe
Bestandtheil, und in der Wirklichkeit liess das Ceremoniel
des Lebens freie Bewegung nicht aufkommen. Dagegen
halten sie sich bestimmt und bis in das Detail an die
Natur, während jene sich auf einem durchaus idealen
Boden befinden, der ihnen die Wirklichkeit fast unkennt-
lich macht. Wenn auch die Ungunst des Schicksals uns
fast keine schriftlichen Urkunden der Perser erhalten hat,
so waren sie keinesweges wie die Inder ungeschichtlich.
Den König umgaben seine Schreiber, um seine Worte
und Thaten aufzuzeichnen und in den Archiven nieder
zu legen. Natürlich Wurden diese Aufzeichnungen nicht
zu einem geistigen Werke, und der Gedanke freier Ge-
schichtsehreibung blieb dem Einerlei eines despotisehen
Hofes fremd. Allein immerhin war hier doch ein der
Wirklichkeit angehöriges Element erhalten. Es hing zu-
samrnen mit der Wahrheitsliebe, Welche den Ormuzd-
dienern frühe eingeprägt wurde, dass sich ihre Phantasie
nicht in so wildem Spiel gehen lassen durfte. Daher
linden wir eine Entstellung des Bekannten überall nicht;
eine Häufung menschlicher Glieder wäre der Wahrheits-
liebe, dem Gefühl für das N aturgemässe, welches in allen
Geschöpfen, ohngeachtet der gefährlichen Beimischungen
Ahrimans, von Ormuzd herrührt, entgegen gewesen. Die
Vorstellung von der Gottheit war eine geistigere und
höhere, sie duldete gar kein Bild. Die Lehre des schroffen
Gegensatzes war keiner poetischen Auffassung fähig,
kein dichterischer Mythus konnte entstehen. Die Phantasie