Bildwerke.
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üppigvollen, schwellenden Gliedern und bildlichen Ver-
zierungen, hier das gradlinige Element vorherrschend,
ohne Säulen und Steinarbeit, flache, nur farbig verzierte
Mauern. Das Gemeinsame ist das Vorherrschen sinnlicher
Grösse, aber dort ist die Sinnlichkeit phantastisch Wild,
hier verständig, von Zwecken abhängig, egoistisch.
Denselben Gegensatz können wir , soviel wir von
beiden Völkern wissen, auch in ihren politischen Verhält-
nissen linden. Bei den Hindus sehen wir niemals ein
Reich von ungewöhnlicher Ausdehnung, niemals eine
unumschränkte Despotie entstehen; die Castenverhält-
nisse bringen stets eine mildernde Hemmung der Gewalt,
eine Mannigfaltigkeit der Verfassungen und Territorien
hervor. Im assyrisch-babylonischen Reiche war selbst die
Priestercaste, wenn auch durch 'l'raum- und Zeichen-
Deutung einflussrcich, dennoch nicht mächtig genug, um
dem König Schranken zu setzen. Nebucadnezar befiehlt,
zufolge des Buchs Daniel, alle Weisen in Babel umzu-
bringen. Ueberhaupt sehen wir, nach den jüdischen Bew-
richten, im assyrischen Reiche eine eben solche Despotie,
wie wir sie später in diesen Gegenden keimen; derselbe
VVechsel herrschender Geschlechter, dieselbe Hierarchie
der Gewaltherrschaft in den Satrapien, dieselbe Neigung
zu Hofkabalen und Intriguen. In jeder Beziehung also in
Indien aristokratische Gliederungen und Einzelheiten,
hier kolossale Massenverhältnisse.
Ueber die Bildwerke der Babylonier wissen wir
wenig zu sagen. Freistehende Bildsäulen von Gold und
Erz werden von Herodot und Diodor erwähnt. Die bilde
reichen Darstellungen auf den Mauern (wie schon erwähnt
die Jagd des Ninus und der Semiramis auf den Mauern
der läönigsburg mit kolossalen, vier Ellen hohen Figuren)