Baukunst.
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bei seiner Annäherung sich ruhig auf dem Gemäuer
sonnten, und kaum verscheucht durch das Geschrei der
Araber langsam herunter stiegen. Man hat diese Trüm-
merhügel mit den Beschreibungen der alten Schriftsteller
verglichen und Vermuthungen über die Lage der einzel-
nen Gebäude aufgestellt, und dieser historische Gewinn
ist das bedeutendste Ergebniss der Durehforschung der
Ruinen, welche von der Gestalt der Gebäude durchaus
keine Anschauung gewähren, und unter denen nur ein-
zelne Ziegel mit Buchstaben in Keilschrift erhalten sind.
Die nächste Ursache dieses gänzlichen Verfalles liegt
in dem Material, das zu diesen Bauten verwendet wurde.
Stein und Holz fehlten in diesen Niederungsgegeirden,
dagegen bediente man sich gebrannter oder ungebrannter
Ziegel, welche man mit dem, in einigen Gegenden Ba-
byloniens gefundenen, Erdpech verband und vielleicht
selbst glasirte. Schon die mosaische Erzähhmg des baby-
lonischen Baues erwähnt dieses Baumaterials: "Und sie
„sprachen unter einander: Wohlan, lasset uns Ziegel
„streichen und brennen. Und sie nahmen Ziegel zu Steinen
"und Harz zu Mörtel." Man sieht hieraus, wie diese
Erfindung eines künstlichen Surrogats für das natürliche
Baumaterial den alten Völkern merkwürdig gewesen sein
muss, da sie selbst in dem gedrängten Vortrage der
Genesis nicht unbemerkt bleiben durfte. Aus den Be-
schreibungen der griechischen Schriftsteller entnehmen
wir, dass dies Material auch zu den grössten Pracht-
bauten verwendet wurde, nur in einzelnen Fällen wurden
Steinbalken oder metallene Platten angewendet. Semiramis
liess indessen in den armenischen Gebirgen ein Felsstück
von gewaltiger Höhe und Dicke brechen und in Babylon
als Obelisk aufstellen, den, wie Diodor bemerkt, einige