Blalerei.
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gegliederten Gestalten. Aber dies Bestreben ist absichtlich
und gewaltsam, es verschmilzt nicht mit den Formen
zu einem schönen Ganzen. Wir erkennen darin, wie die
Neigung zum Sinnlichen und Weichlichen mit der Richg
tung auf das geistig Erhabene vereinbar ist, wie dies aber
auch innere Widersprüche herbeiführt, die nur durch das
Entstehen. der wahren und kräftigen Schönheit gelöst
werden. Die Schönheit ist Maass und Begründung, sie
kann nicht aufkommen, wo jedes Bestreben sogleich in
das Uebermässige ausartet.
Gewiss sind die Inder ein Volk von hohen Anlagen,
auch für die bildende Kunst, das aber unter dem Reiche
thum dieser Anlagen selbst noch erliegt. Indem es das
Schöne in den Reizen der Natur zuerst empfindet, wird.
es von ihrer sinnlichen Macht überwältigt und bleibt wie
in einem begeisterten Rausche, wo grosse Anschauungen
und Gedanken mit den wüsten Bildern einer üppigen und
sinnlichen Phantasie wild wechseln. Geistiges und Sinn-
liches, Mensch und Natur sind noch nicht klar gesondert.
Auf dem Gebiete der Kunst gilt hier ganz dasselbe, wie
auf dem Gebiete der Moral. Erst wenn der Mensch sich
frei gemacht hat von der Herrschaft der sinnlichen Natur,
kann er sein sittliches Wesen ausbilden, und erst dann
zur Betrachtung der Natur und zur Begründung der
Kunst zurückkehren. In sittlicher Beziehung ist es
Haltung, Besonnenheit, Klarheit, welche diesem hoch-
begabten Volke mangelt. In künstlerischer Beziehung fehlt
ihm noch jener höhere Sinn für Maass und Ordnung,
durch welchen erst das Gebiet der Kunst gewonnen wird,
jenes höhere Selbstgefühl des Menschen, mit welchem
er sich von dem Einflusse der Sinnlichkeit befreit und
das ganze Reich der Natur sich gegenüber betrachtet.