Volltext: Geschichte der bildenden Künste bei den Alten: Die Völker des Orients (Bd. 1 = [1], Bd. 1)

Blalerei. 
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gegliederten Gestalten. Aber dies Bestreben ist absichtlich 
und gewaltsam, es verschmilzt nicht mit den Formen 
zu einem schönen Ganzen. Wir erkennen darin, wie die 
Neigung zum Sinnlichen und Weichlichen mit der Richg 
tung auf das geistig Erhabene vereinbar ist, wie dies aber 
auch innere Widersprüche herbeiführt, die nur durch das 
Entstehen. der wahren und kräftigen Schönheit gelöst 
werden. Die Schönheit ist Maass und Begründung, sie 
kann nicht aufkommen, wo jedes Bestreben sogleich in 
das Uebermässige ausartet. 
Gewiss sind die Inder ein Volk von hohen Anlagen, 
auch für die bildende Kunst, das aber unter dem Reiche 
thum dieser Anlagen selbst noch erliegt. Indem es das 
Schöne in den Reizen der Natur zuerst empfindet, wird. 
es von ihrer sinnlichen Macht überwältigt und bleibt wie 
in einem begeisterten Rausche, wo grosse Anschauungen 
und Gedanken mit den wüsten Bildern einer üppigen und 
sinnlichen Phantasie wild wechseln. Geistiges und Sinn- 
liches, Mensch und Natur sind noch nicht klar gesondert. 
Auf dem Gebiete der Kunst gilt hier ganz dasselbe, wie 
auf dem Gebiete der Moral. Erst wenn der Mensch sich 
frei gemacht hat von der Herrschaft der sinnlichen Natur, 
kann er sein sittliches Wesen ausbilden, und erst dann 
zur Betrachtung der Natur und zur Begründung der 
Kunst zurückkehren. In sittlicher Beziehung ist es 
Haltung, Besonnenheit, Klarheit, welche diesem hoch- 
begabten Volke mangelt. In künstlerischer Beziehung fehlt 
ihm noch jener höhere Sinn für Maass und Ordnung, 
durch welchen erst das Gebiet der Kunst gewonnen wird, 
jenes höhere Selbstgefühl des Menschen, mit welchem 
er sich von dem Einflusse der Sinnlichkeit befreit und 
das ganze Reich der Natur sich gegenüber betrachtet.
	        
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