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Indien.
könnte, der Sinn für Charakteristik und strenge Zeich-
nung. Wenn schon die Sculptur sich zum WVeichlielicn,
so wie wir sahen, hinneigte, so konnte in der Malerei
der Sinn für das Ernste und Erhabexie sich noch weni-
ger geltend machen, und sie blieb nichts als ein zier-
liches und buntes Spiel.
Ueberblicken wir die künstlerischen Leistungen der
lnder, so linden wir die reichste Anlage; tiefes Gefühl,
fein Llnterseheidenden Verstand, andächtige Stimmung,
Sehönheitssinn. In der Poesie befriedigen sie noch, we-
nigstens mit gewissen Beschränkungen; wir können nicht
verkennen, dass grosse Schönheiten darin sind. Schon
hier aber wird eine Neigung zum Sclnvillstigeli und
Weichlichen, ein Mangel gehaltener Kraft fühlbar, ohne
welche die wahre Schönheit nicht besteht. Viel ungün-
stiger wirkt nun diese Richtung auf die bildenden Künste.
Wir sehen hier in viel stärkerem Grade das Uebergewicht
des Weichlichen und Sinnlichen, in der Architektur, in
der Iläilülng runder, sehwellender Formen und in dein
phantastischen, willkührlicheil Wechsel; in der Plastik
in der unvollkommenen Dllfßllbiltlllllg der festen Formen
des Körpers, in dem Mangel an charakteristischen Zügen,
an Muskelkraft und Bewegung. Daneben finden wir denn
wieder ein Bestreben nach grandioser, ernster Vvlfkllllg;
in der Baukunst jene mächtigen, schauerlichen Hallen,
die kühne Anhäufung überraschender, grosser Formen,
die Tempelfelsen in der Wildniss, die hochgethiirnlten
Pyramiden und Kuppeln, in der Sculptur die külossalß
Grösse, die symbolische Bildung übermenschlicher, viel