Indien.
gesprochen werden. Beides aber ist der weichen Ruhe
des indischen Schönheittsbegriffes fremd, und die Vor
schiedenheit geistiger Wesen konnte (iahcr plastisch nur
durch äusserliche und symbolische Zusätze angedeutet
werden. So unterscheidet sich hier der Gott von den
Menschen nicht durch die höhere, geistigere Bildung
seiner Gestalt, sondern durch kolossale Dimension, un-l
natürliche Vermehrung der menschlichexl oder Vertauschung
derselben mit thierischen Gliedern. Mehrere Köpfe und
Arme, oder das Elephantenhaupt auf dem menschlichen
Körper geben nicht das Gefühl einer Wahrhaft höhern
Natur, sondern nur einer äusserlich anhaftenden grössern
Macht. Unter den Göttern selbst werden wiederum die
verschiedenen Individualitäten weniger durch die Formen,
als durch die hergebrachten Attribute dargestellt.
Wo der Ausdruck der Charaktere ungenügend ist ,r
kann auch der Ausdruck der momentanen Handlung nur
schwach sein, denn jener ist der Ausgangspunkt für die-
sen. Es kommt aber noch dazu, dass die Richtung auf
das Weichliche und Schlatfe, welches der indischen
Kunst eigenthümlieh ist, die volle Entwickelung der hau.
delnden Kraft nicht gestattet. Sie liebt. daher die Dar-
stellung ruhiger Momente und auch da, wo sie Kämpfe
oder sonst mehr bewegte Scenen darstellt, behält sie
einen Zug der Ruhe bei, welcher den Weichen Formen
harmonisch ist, und nicht unangenehm milde erscheint.
Damit hängt denn auch eine gewisse Unveränderliclr
keit der Auffassung zusammen. Bei andern Völkern, be-
sonders bei den Griechen, erkennen wir verschiedene
Perioden der plastischen Auffassung, in denen bald das
Allgemeine und Ruhige, bald das Individuelle und Be-
wegte, bald das Gewaltsame und Heftige, bald das VVeiche