Volltext: Geschichte der bildenden Künste bei den Alten: Die Völker des Orients (Bd. 1 = [1], Bd. 1)

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Indien. 
obgleich ohne nähere Bezeichnung der Muskeln. Gegen 
das Ebenmaass und die Verhältnisse der Körpertheile ist 
wenig zu erinnern, doch herrscht die Neigung zum Schlan- 
ken vor. Arme und Beine sind eher zu lang, und weib- 
liche Gestalten sind gewöhnlich bei sehr vollen Hüften 
von überaus schmächtigem Leibe. Die Götter werden 
meistens in Ruhe dargestellt, liegend oder sitzend, mit 
untergeschlagenen Beinen, die Hände auf der Brust oder 
im Schoosse. Bei Stehenden ist stets eine nachlässige 
Haltung, so dass der Oberkörper sich nach einer Seite 
hinneigt, die entgegengesetzte Hüfte heraus tritt, und 
die ganze Gestalt eine sanft gebogene Linie (larstellt. 
Die Biegungen besonders der Beine an Sitzenden, sind 
gewöhnlich stärker und Weicher, als es die feste Ver- 
bindung der Glieder und das gewöhnliche Maass der 
Dehnbarkeit der Sehnen gestattet. Selbst die Knochen 
sind oft wie biegsam behandelt und die Körper neigen 
sich, als ob die Schwere des Kopfes sie abwärts ziehe, 
wie der rolle Kelch der Blume den dünnen Stengel. Die 
Gewänder sind zwar eng anliegend und wenig bemerkbar, 
aber der herabgefallene Gürtel verräth eine künstliche 
Nachlässigkeit, während die Pracht des Schmuckes auf 
üppigen Reichthum hindeutet. Bei manchen Bildwerken, 
besonders bei kleinern, ist diese Behandlung nicht ohne 
Reiz, indem sie einen Zustand weicher Ruhe und unge- 
trübten Genusses anmuthig genug versinnlicht, wie wir 
etwas Aehilliches bei manchen orientalischen Mährchen 
empfinden. Dagegen erscheint sie bei den kolossalen 
Götterbildern der Felsengrotten als ein entschiedener 
Mangel. Diese Gestalten, meist dreizehn bis sechszehn 
Fuss hoch, also zwei bis dreimal so gross als gewöhnliche 
Menschen, entsprechen so ziemlich der Schilderung des
	        
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