XII
Len der Hülfswissenschaften mit der noch unvollkommenen
Kenntniss der Monumente zusammen, 50 sind Fehlschlüsse
zu befürchten, Berichtigungen über kurz oder lang zu
erwarten.
Allein dennoch scheint diese Gefahr für meine Auf-
gabe nicht so gar drohend. Denn jene Punkte, wo Kunst
und Leben sich berühren, sind die, wo beide ihre vollste
Aeusserung und Wirksamkeit haben; sie liegen meistens
offen zu Tage, die Zweifel über das Einzelne sind hier
von geringerer Bedeutung. In der Kunst erscheinen die
Factoren des Volkslebens nicht in ihrer körperlichen
Wirklichkeit, sondern in einer idealen, durch das Medium
des Schönheitssinnes bedingten Spiegelung , nicht mit
ihren Abweichungen und singulären Formen , sondern
nach ihrem wesentlichen Gehalte, und .so wie sie sich für
das sittlich aesthetische Gefühl geltend machen. Die
Kunst ist die centrale 'l'hätigkeit der Völker, in welcher
sich alle Bestrebungen und Gefühle, Geistiges, Sittliches
und Materielles am Innigsten berühren, und sich begrän-
zen. Sie giebt daher selbst die Mittel an die Hand, um
die Richtung und Kraft dieser einzelnen Potenzen abzu-
messen und zu bestimmen. Wenn, wie sich nicht zwei-
feln lässt, grade bei der allgemeinen Rührigkeit aller
Wissenschaften und Forschungen von Zeit zu Zeit we-
nigstens der Versuch nöthig ist, die Verbindung des Ein-
zelnen aufzuzeigen, so ist dazu die Kunstgeschichte kein
ungeeigneter Boden. Das Bedürfniss und die Möglichkeit
einer solchen Behandlung, wie sie mir vorschwebte, ist
daher gewiss vorhanden.
Auch halte ich die Lücken unserer kunstgeschicht-
liehen Keilntniss nicht für so gross, wie die Männer vom
IPache sie oft ansehen. So manche Frage, welche noch