Volltext: Geschichte der bildenden Künste bei den Alten: Die Völker des Orients (Bd. 1 = [1], Bd. 1)

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Indien. 
einer egoistischen, kalten, materialistischen Betrachtung 
Preis gegeben, welche eine wahrhaft schöne Gestaltung 
des sittlichen Wesens noch viel weniger zulässt. 
Die gemeinsame Grundlage beider Systeme ist die 
pantheistisehe Auffassung, nach welcher die Gottheit 
sich in das Weltleben verliert, in allem Einzelnen sich 
sinnlich verkörpert und dann Wieder in den Schooss ihrer 
ursprünglichen Einheit zurückkehrt, so dass alle _VVesen 
in einer Kette von wechselnden Gestaltungen sich endlos 
bewegen und das All eine gährende, unruhige Masse 
darstellt. Die Schöpfung ist, nach dem Ausdrucke der 
brahmanischen Vedantais, nur eine veränderte Form der 
göttlichen Substanz, wie die Milch gerinnt, oder das 
Wasser gefriert. Diese Grundansicht ist nun aber bei den 
Brahmanen in ihrer dichterisch ausgebildeten Mythologie 
und in ihrer politisch religiösen Verfassung gemildert, 
es sind Klassen und Gattungen der Götter und der Men- 
schen festgestellt, so dass sich aus der wüsten unklaren 
Einheit ein geordnetes, in festen Abstufungen geglieder- 
tes Reich bildet, in welchem schöne Gestalten, mit 
sinnlicher Fülle und geistiger Bedeutung, aufsteigen. 
Aber freilich macht sich auch bei ihnen jene vernlischende 
Grundansicht noch geltend. Auch nach ihrer Vorstellung 
wird die Welt wie ein" Traum Brahmeüs oder wie ein 
Erzeugniss der Maya, der 'I'äuschung, dargestellt, und 
es geht der göttliche Geist durch eine Reihe von Incar- 
nationen wechselnd-hindurch. Die Seelenwanderung glan- 
ben auch sie in vollem Maasse, die Seelen der abgeschie- 
denen Menschen steigen zum Monde auf, fallen im Regen 
auf die Erde, und gehen so durch die Pflanzen in das 
Thier über, um einen neuen Körper zu gewinnen. In den 
Thieren verehren sie daher die Seelen ihrer Vorfahren,
	        
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