XI
lag noch weniger innerhalb meines Zweckes. Ich musste
mich auf die Hauptgestalten beschränken, aus welchen
mit Sicherheit zu schliessen, die Verbindung mit den andern
Elementen des Völkerlebens leichter zu erkennen war. Mir
blieb daher Nebensache, was Ihnen Hauptsache War.
Dies zeigt schon, wie ich annehmen konnte, dass
unsere Arbeiten sich ergänzen, nicht sich ausschliessen.
Denn Beides, was Sie gegeben haben und was ich be-
absichtige, gehört zu dem Ganzen der Kunstgeschichte
im höchsten Sinne des Wortes, aber dieses Ganze ist
zu gross, als dass es schon jetzt von einem Werke
umfasst werden könnte. Wir nähern uns auf verschiede-
nen Wegen dem Mittelpunkte der Sache. Daher wirkte
denn Ihr Buch ermuthigend auf mich, mit dem meinigen
hervorzutreten, ich war beruhigt, weil das, was ich 1110111
leisten konnte, schon auf so vollständige, zweckmässige
Weise gegeben war.
Ob nun für meine Arbeit der rechte Zeitpunkt wirke
lich gekommen, darüber liesse sich zweifeln. Wenn die
Kunst in ihrer Wechselwirkung mit den Lebenselementen
historisch erklärt werden soll, so müssen die Völkerkun-
de , die politische , die literarische Geschichte , nicht
bloss in ihren allgemeinen Grundzügen, sondern in man-
chen Details zu Hülfe gerufen werden. Alle diese Wis-
senschaften beiinden sich aber, wenn nicht in gleicher,
doch in ähnlicher Lage wie die Kunstgeschichte. Der
rege Geist unseres Jahrhunderts, die günstige Gelegenheit,
welche entfernte Länder, ganze Massen bisher unbekann-
ter Schätze der Literatur zugänglich gemacht hat, haben
auch diese Wissenschaften in einen Zustand der Gährung
versetzt, in welchem manches, das für feststehend ge-
halten wurde, schwankt. 'l'reffen nun diese Unsicherhei-