Religion.
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System nimmt, so führt es doch zu einem sinnlichen
Materialislnus und äusserlicher Wortheiligkeit. Die Fröm-
migkeit knüpft sich an äussere Zeichen, der lebende
Mensch selbst wird zum Götzen erhoben, Gebetsfbrmehz
gelten für innerliche Reinigung und Erhebung. Dazu kommt,
dass auch die Wärme, welche sich in dem brahmanischen
Götzendienste erhält, hier verschwindet, und in den
buddhistischen Ländern meistens grosse Indifferenz be-
merkt wird. Nur der Todtendienst wird mit Ernst und
Würde betrieben. Der Cultus ist übrigens prächtig, und
kolossale Statuen der Heiligen werden der Devotion des
Volkes in Menge geboten. Die sittlichen Verhältnisse
sind überall noch mehr entstellt als bei den Bralnnanen.
VVähreild bei diesen Polygamie üblich ist, herrscht bei
den Buddhisten Polyandrie vor, wodurch denn auch die
Blamilicnbande einen Weniger reinen und naturgemässen
Charakter erhalten. Selbst das Fortfallen der Casten
wirkt nicht günstig, indem dadurch statt der aristokra-
tisch gemässigteil lßlonarchic der Brahmancnvölkcr ein
unumschräilkter ertödtender Despotismus des geistlichen
oder
Herrschers
weltlichen
eintritt.
Die Vergleichung beider Zweige der indischen Re-
ligion ist daher von grosseln Interesse; sie giebt uns
eine Lehre, die wir freilich auch aus andern Erscheinun-
gen ziehen können, dass das anscheinend Reiner-e und
Geistigere, weil es einseitig ist, auf einen schlimmern
Materialisnlus führt, als ein sinnlicheres System, welches
eben dadurch, dass es das geistige Element nicht völlig
von dem natürlichen sonder-t, dieses adelt und reinigt.
Während die Buddhisten durch ihre nüchterne Ansicht
von den wilden, leidenschaftlichen Execsseu des Aber
glaubens zurück gehalten werden, sind sie um so mehr