Volltext: Geschichte der bildenden Künste bei den Alten: Die Völker des Orients (Bd. 1 = [1], Bd. 1)

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Indien. 
für Wohlthätigkeit, Dankbarkeit, Gastfreundschaft, N äch- 
stenliebe, gegeben. Selbst gegen den Feind, sagen die 
Dichter, solle man Liebe üben, denn der Sandelbaum 
erfülle noch die Axt , welche ihn fälle, mit WVohl- 
geruch; selbst gegen die Niedrigsten, denn der Mond 
bescheine auch die Hütte des Chandala. Toleranz gegen 
Andersgläubige ist selbst Grundsatz der heiligen Bücher, 
denn aus der Verschiedenheit der Religionsformen gehe 
Gottes Grösse hervor, und der Himmel sei ein Pallast 
mit vielen Thüren t). Vor Allem heilig sind die Familien- 
verhältnisse. Die Ehe ist selbst eine Religionspflicht, nur 
der Familienvater wird zu gewissen Opfern zugelassen, 
nur der Sohn kann gewisse Todtenopfer für die Aeltern 
bringen. Achtung und Liebe zwischen Aeltern und Kin- 
dern äussern sich in den zartesten Zügen, und eine 
grausame Sitte, die sich auch hier eingeschlichen hat, 
der Kindermord an neugebornen Töchtern, der in manchen 
Gegenden häufig vorkommen soll, damit die Unvermählte 
dem Hause nicht Schande bringe, scheint erst aus jün- 
gerer Zeit herzurühren. In den höhern Casten ist zwar 
Polygamie gestattet, doch ist nur eine die eigentliche 
Gattin, und ursprünglich scheint eine monogamische Ehe 
geherrscht zu haben. Das Volk sieht zwar heute die 
Frauen mit Verachtung an, in den Gedichten aber finden 
wir sie mit grosser Zartheit geschildert, keusch, ergeben, 
gebildet. Die Liebe des lilannes sowohl als der Jungfrau, 
wird mit einer Wärme und Schönheit behandelt, wie bei 
keinem andern der alten Völker. In allen ihren Gedichten, 
besonders in den Dramen der Hindus, ist die Liebe ein 
sehr wesentliches und ausgeführtes Motiv. Sie erscheint 
plötzlich wirkend, tief und treu, und würde, wenn nicht 
Bohlen 
4368.
	        
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