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Einleitung.
und verstanden werden können, genügt schon ein mässi-
ger Kreis, um die charakteristischen Flrschreinungen der
bildenden Künste zu gruppiren. Ihre Regeln sind einfacher;
die festen unwandelbarerl Grundzüge der Kunst wie des
sittlichen Gefühls sind in ihnen niedergelegt. VVenn in
den andern Künsten die feinern geistigen Eigenthümlich-
keiten, die Ausbildung des Gedankens und der Subjec-
tivität in höherm Grade entwickelt oder stoifartig aus-
gesprochen sind, so hat dagegen das Feste, Bleibende,
Allgemeine mehr in den bildenden Künsten seinen Aus-
druck. In diesen herrcht das demokratische, in jenen das
aristokratische Element vor. Selbst in der Malerei, die
unter den bildenden Künsten, sich am meisten der Poesie
nähert, auf subjective Gefühle eingeht und ihnen Raum
giebt, ist ein gewisses Gemeinmaass gegeben; die höchste
Steigerung der Heldengrösse und die feinsten Schattirun-
gen getheilter Gefühle sind ihr versagt. Die Geschichte
der bildenden Künste, ein Segment der Kunstgeschichte
überhaupt, dürfte daher früher sieh zu einem Ganzen
gestalten und schon jetzt, so viele nähere Bestimmungen
und Berichtigungen sie auch noch zu erwarten hat. in
ihren Grundzügen klar und bleibend hingestellt werden
können.