Volltext: Geschichte der bildenden Künste bei den Alten: Die Völker des Orients (Bd. 1 = [1], Bd. 1)

Die Kunst in der Geschichte. 93 
kann sogar der Plastik nachtheilig werden; denn indem 
sie ihrer Aufgabe gemäss dazu fortgeht, die Gefühle im- 
iner feiner und reicher zu behandeln, nimmt sie dem Volke 
die ruhige und gemässigte Auffassung, die der Sculptur 
nothwendig ist. Wenn endlich die Musik durch ihre ver- 
wickelten und reichen Harmonien mehr und mehr ergötzt, 
an den geheimen Reiz der Behandlung des Unbestimm- 
testen und Zartesten mehr und mehr gewöhnt, so ver- 
weichlicht sie den Sinn und verleitet dazu, auch die 
Gestalten der Poesie und Malerei mehr zu verflüchtigen, 
als die Bestimmtheit des praktischen Stoffes es gestattet. 
Wir finden in diesen N aturgesetzen des Kunstgebietes 
zugleich die allgemeinen Gesetze aller Bildung und Ent- 
wickelung wieder. Der Geist beginnt überall mit dem 
Allgemeinen und Strengen; er bedarf gleichsam fester 
Umgränzuilg, um sich in dem Zustande sinnlicher Ver- 
Wirrung zu sammeln und zu eoncentriren; erst später geht 
er zum Einzelnen und Milden über. So lernt der Knabe 
Zunächst die Regel, behandelt alles nach derselben und 
giebt erst in der Folge die Ausnahmen zu. So ist jeder 
Anfänger und Unwissende hart in seinen Urtheilen, mit 
tieferer Einsicht wächst die Milde und Nachsicht. So 
herrscht denn auch in dem politischen Leben der Völker 
zuerst das Allgemeine, sei es der Wille des Gebieters 
oder das republikanische Gesetz, strenge und rücksichtslos. 
Erst später bildet sich die Sitte, die freiwillige Uebung 
des Gesetzlichen, bis endlich die Freiheit zur Willkühr, 
die gemässigte Sitte zur schlaffen Nachgiebigkeit gegen 
alles Eigenwillige und Abweichende wird. Es ist allge- 
meines Bildungsgesetz, vom Objectiven zum Individuellen 
llnd endlich zum Subjeetiven bis zur Auflösung des all- 
gemeinen Verbandes fortzuschreiten.
	        
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