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Einleitung.
alhnählig, dass eine Schönheit des Verhältnisses, ein
organischer Zusammenhang nicht bloss in dem einzelnen
Körper, sondern auch in der Verbindung und Wechsel-
wirkung Mehrerer, in der Einheit des Lichtes und Seheines
bestehe. Wie die Malerei unläugbar eine Beziehung auf
das Drama hat, so üben beide Kunstriehtungen, die poe-
tische und bildende auch wieder auf jeder ihrer Stufen
eine Rückwirkung auf die Musik aus. Denn diese hatte
in der Architektur und in der Construction des Epos ein
Vorbild für grosse massenhafte Verhältnisse, in der Lyrik
und Sculptur für die Vereinzelung und Vertiefung des
Gemüthes, in der Malerei wie im Drama endlich An-
regung zur harmonischer Verbindung verschiedener Reihen
erhalten, ebenso aber auch wiederum auf jene. anderen
Künste in gleichem Sinne zurückgewirkt. So sehen wir
in den drei Kunstrichtungen dreifache sich entsprechende
Entwickelungsstufen; auf der ersten die Epik, Baukunst
und die allgemeine einfache, gewöhnlich kirchliche Musik,
auf der zweiten die Lyrik, Plastik und die Melodie des
Liedes, auf der dritten das Drama, die Malerei und die
völlige Entwickelung der Musik zur reichen Harmonie
und Instrumentirung. Wir erkennen wie jede Kunstrich-
tung anregend und fördernd für die andere, wie jede
Kunststufe vorbereitend für die folgende ist, wir sehen
aber auch, dass die einzelnen Künste unter sich im Ge-
gensatze stehen und abhaltend oder auf lösend auf einander
wirken können. Wenn Lyrik und Plastik den Sinn für
das Individuelle, Praktische und Lebendige in Anspruch
nehmen, so kann er nicht mehr mit völlig ruhiger Hin-
gebung in den allgemeinen, selbstlosen 'Verhältnissen
weilen, an welche die schönste Blüthe der Architektur
und des Epos gebunden ist. Die lyrische Poesie selbst