Die Kunst in der Geschichte. 3]
Mensch nicht aus der Natur, sondern nur durch eine
Offenbarung erlangen könne, auf diese Weise überliefert
worden. Allein auch diese Auffassung ist zu sinnlich,
und verkennt den innern organischen Zusammenhang des
Geistes. Wären nur solche Lehren tradirt, während das
Andere, die praktischen Einrichtungen, die Sitten und
Gesetze, die Fertigkeiten, welche zur Bequemlichkeit
des Lebens dienen, und endlich die Kunst, selbstständig
sich bildeten, so würde ein Zwiespalt in dem geistigen
Wesen, der Nation entstehen, welcher nicht von Dauer
sein könnte, sondern bald mit dem Untergange oder der
Entstellung jener vereinzelten Lehren endigen würde.
Jedes Volk überliefert dem andern nicht bloss Einzelnes,
sondern sein ganzes VVesen, oder doch das Eigenthüm-
licllste und Hervorstechendste desselben. Es überliefert
sich ihm aber auch nicht bloss durch Lehre oder sonstige
freundliche Mittheilung, sondern oft im Kampfe dadurch,
dass die Einseitigkeit des Einen die entgegengesetzte
Einseitigkeit des Andern hervorruft) und fördert.
x Der Bildungsgang des menschlichen Geschlechtes
schreitet langsam und stufenweise fort. Während das
Wesen der Dinge im Einklange beider Welten, der kör-
perlichen und der geistigen, besteht, ist die menschliche
Thätigkeit immer einseitig; wendet sie sich mehr nach
der Geistigen hin, so vernachlässigt sie das innere We-
sen des Körperlichen zuentwickeln; huldigt sie dem
Materiellen, so wird die geistige 'l'hätigkeit gröber und
sinnlicher behandelt. Ist daher ein Volk in einer von beiden
Beziehungen fortgeschritten, so entsteht in dem nächsten
der Trieb, nach der andern Seite hin sich zu ergänzen,
Wodurch dann diese das Uebergewicht erhält. Es ist
daher die Aufgabe eines dritten Volkes beides" zusammen
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