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Einlleitung.
sein und Freiheit, aber in sich einig, concentrirt und
organisch gegliedert. Vermöge dieses organischen Zu-
sammenhanges ist die Richtung, welche er in einer Be-
Ziehung nimmt, nicht gleichgültig für seine anderen
Thätigkeiten. Ist seine Kraft zu sehr nach der einen
Seite gewendet, so wird sie der andern entzogen, und
es bildet sich eine Einseitigkeit, Welche in jeder Leistung
durchzufühlen ist. Der Gesammtgeist erlangt hierdurch
einen individuellen, in mancher Beziehung beschränkten
Charakter, wie der einzelne Mensch. Ueber die Schran-
ken dieses Volksgeistes hinauszustreben, ist fruchtlos;
die Grösse des Einzelnen besteht vielmehr darin, dass
er den Geist seines Volkes fasse, ihm gemäss handele,
das Unentwiekelte in ihm zur Ausführung bringe. Das
Verdienst der That bleibt zwar dem Einzelnen, eben so
wie sie ein Werk seiner Freiheit ist, und auch die Züge
seiner persönlichen Individualität behält; aber ihre Ener-
gie und Wirksamkeit ist um so grösser, je mehr sie
aus dem Geiste des Ganzen hervor geht und demselben
entspricht.
Auch
die
Eigcnthümlichkeit
der einzelnen Völker ist
aber
nicht
bloss
ein
Produkt
des
äussern
Bodens
oder
der Abstammung, sondern sie ist durch die geistige
Ueberlieferung anderer Völker bedingt. Die Geschichte
der heutigen Zeiten verdankt ihre Gestalt den vorher-
gegangenen und so fort bis in den dunkeln Ursprung
des Menschengeschlechtes zurück; eine ununterbrochene
Kette der [Teberlieferung verbindet uns mit der ersten
Schöpfung.
Man hat häufig von einer solchen Tradition gespro-
chen, aber in dem Sinne , als ob nur bestimmte Nach-
richten oder Kenntnisse, etwa solche höhere, die der