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Einleitung;
es auch nicht das Bedüriiiiss fühlt, sie in Worten aus-
zusprechen. Es bedarf aber doch der Schule, durch
welche es jene strengeren architektonischen Elemente
der Schönheit, wie sie im Laufe der Jahrhunderte in
jeder der drei Künste angewendet sind , sich ancignet
und in sich verarbeitet.
Eben wegen dieses Gegensatzes der Kunst gegen
die Wirklichkeit, der für uns Spätlinge verdeckt und
verdunkelt ist, ist dann der Zugang aus dem Leben zu
der Kunst ein langer und schwieriger. Deshalb bedarf es
der Jahrhunderte, in welchen kindische und rohe Ver-
suche auf die Kunst hindeuten, ohne dass das Werk der
Architektur entstehen und später die Plastik lmd die
Malerei daraus hervorgehen kann.
Ueberhaupt haben wir hier das Gebiet der Kunst
und namentlich der bildenden Kunst nur äusserlich, gleich-
sam geographisch, begränzt und beschrieben. Die höchsten
Gipfel ihrer Leistungen zu erreichen, uns an der Kraft
des Genius zu erfreuen, war unsere Aufgabe hier nicht,
sondern nur die Grundlage zu bezeichnen, von welcher
er ausgehen muss und umvillkührlich durch den edlen
Instinkt seiner Natur ausgeht. Wir sahen, dass die Kunst
keinesweges eine Nachahmung des Wirklichen, sondern
eine- neue Schöpfung ist. Weil sie dies ist, von Men-
schon und für Menschen, muss sie in weiser Beschrän-
kung von der Fülle der Wirklichkeit abstrahiren und
eines ihrer Elemente in seiner Reinheit und Strenge zum
Stoffe machen, indem sie arbeitet. In diesem Stoffe aber
soll die Fülle des Lebens, das Höchste und Tiefste sei-
nen Ausdruck linden; es wird daher das Ungewölmlighste
und das Schwerste gefordert, die Vereinigung entgegen-
gesetzter Ansprüche. Da leuchtet es denn ein, dass nicht