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Malerei des XV. Jahrhunderts.
Plorentiner.
Was Masaccio erworben das wird bei Fra Filippo Lippi
(1412-1469) im Dienste eines minder hohen und strengen Geistes,
einer reichen und fröhlichen Phantasie weiter angewandt. Er lässt
sich gehen, aber nicht in Trägheit, sondern in kecken Versuchen des-
sen, was wohl seiner Kunst erlaubt sein möchte. Wie ohne alle
Scheu noch Rückhalt oHenbart er in den Bildnissen, womit er seine
Scenen ausstattet, das tiefste Wesen Derer, die er meinte! mit wel-
chem Gefühl wird er zuerst von Allen die Jugend sinnlich-
lieblich, ja schalkhaft bis über die Gebühr, dargestellt haben! Er ist
der Erste, welcher sich an der Breite des Lebens, auch an dessen
zufälligen Erscheinungen, von Herzen freute.
Sein grosses Frescowerk, die Geschichten des Täufers Johannes
aund des heil. Stephanus im Chor des Domes von Prato (bestes
Licht: 10-12 Uhr) würde schon durch Technik und Colorit Epoche
gemacht haben. Nicht alle Scenen sind hoch aufgefasst; der Künst-
ler hat zu viel Neues in allen möglichen Beziehungen zu sagen, als
dass nicht der tiefere Gehalt unter den oft herrlichen rein malerischen
Gedanken leiden müsste. Schöner zumal als bei irgend einem Vor-
gänger spricht sich Stellung und Bewegung in den nobeln und leben-
digen Gewändern aus, deren mehrere (z. B. in der „Trauer um die
Leiche des Stephanus") bis auf die Zeit Rafaels kaum mehr ihres
Gleichen haben möchten. In den vier Evangelisten am Kreuzgewölbe
wich Filippo von der symmetrischen Stellung ab; man wird z. B. Fie-
so1e's Evangelisten am Gewölbe der Oapelle Nicolaus V immer vor-
ziehen.
b Gegen Ende seines Lebens malte Filippo die Chornische des D0-
mes von Spoleto aus. Diese Krönung Maria ist eines der frühesten
ganz frei angeordneten Halbkuppelgemälde; doch klingt die symme-
trische Strenge der Frühern noch sehr woblthuend nach. Maria und
Christus an Ernst den Giottesken nicht gleich; Ersatz durch den le-
bendigen Ausdruck der Nebengruppen. Von den drei untern Bildern
der Tod der Maria hochbedeutend, aber durch ganz andere Mittel
als bei den Giottesken. (An beiden grosseu Frescowerken half Fra
Diamante.)
In den Tafelbildern überwiegt die Freude am Schön-Wirklichen;
eine kräftige und schalkhafte Jugend; die Madonna ilorentinisch häuslich;