Einfluss der Flandrer.
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Bei diesem Interesse für die Einzelerscheinung konnte die Tren-
nung der Malerei in verschiedene Gattungen nicht lange ausbleiben;
bald nimmt die profane, hauptsächlich mythologische, allegorische und
antik-geschichtliche Malerei einen wichtigen Platz ein.
Im Norden wird dieser grosse Übergang bezeichnet durch den
unsterblichen Johann van Eyck, der sein einsam strahlendes Licht
weit über das ganze Jahrhundert, über die ganze deutsche, franzö-
sische und spanische Kunst wirft. Er weitete das Gebiet der Malerei
dergestalt aus, dass seine Nachfolger nicht nachkommen konnten und
sich mit einem viel engern Formenkreis beguiigtcn. Erst beinahe
hundert Jahre nach ihm war im Norden das Porträt, das Genrebild
und die Landschaft wieder auf dem Punkte wo Er sie gelassen und
bildeten sich dann aus eigenen Kräften weiter. Die menschliche Ge-
stalt hat geradezu kein Einziger der nächsten Generationen nördlich
von den Alpen, auch seine besten flandrischen Schüler nicht, auch
nur annähernd so verstanden und so lebendig behandelt wie Er; es
muss auf ihnen gelegen haben wie eine Lähmung; als Dürer, Messys
und I-Iolbein zu spät erschienen, mussten sie erst eine Last abge-
Storbener Formen, die Frucht des XV. Jahrh., beseitigen.
Die Kunst des Südens nahm bei Zeiten aus den vveitverbreiteten
Werken des grossen Flandrers Dasjenige an was ihr gemiiss war;
keine italienische Schule (mit Ausnahme einzelner Meister von Neapel)
ist von ihm in den Hauptsachen bedingt, aber auch keine blieb von
seinem Einfluss ganz unberührt. Die Behandlung der GewandstoHe
und Schmucksachen, namentlich aber der Landschaft zeigt vielfach
ilandrische Art; als viel wichtiger noch galt die eingestandener Masseur
von den Flandrern erlernte „Ö1malerei", d. h. die neue Behandlung
der Farben und Firnisse, Welche eine bisher ungeahnte Durchsichtig-
keit und Tiefe des Tons und eine beneidenswerthe Dauerhaftigkeit
möglich machte.
Häufig rechnet man auch den Einflubs antiker Sculpturen zu
den Wesentlichen Fördernissen, welche die italienische Malerei vor
der nordischen voraus gehabt habe. Allein der Augenschein lehrt,
dass jeder Fortschritt mit einer unendlichen Anstrengung, welche im
Norden fehlte, der Natur abgerungen wurde. Entscheidend zeigt sich
diess in der paduanischen Schule, welche sich am Meisten und fast