768
Malerei des germanischen Styles.
Giotto und Schule.
bekenne, dass mich von allen giottesken Allegorien eine einzige Wahr-
ahaft ergreift, die Gestalt des Todes im Trionfo della morte Orcagnais;
sie ist eben keine blosse Allegorie, sondern eine dämonische Macht.
hDie Tugenden und Laster, wie sie z. B. Giotto in der Arena (untere
Felder) angebracht hat, sind für uns doch nur eulturgeschichtlich in-
teressante Versuche, das Allgemeine zu veranschaulichen; in unserer
Empfindungswcise finden sie keine Stelle. Wer in Italien allrniilig
z. B. einige hundert Darstellungen der vier Cardiualtugenden aus allcn
Epochen der christlichen Kunst durchgesehen hat, Wird sich vielleicht
mit mir darüber Wundern, dass so Weniges davon im Gedachtniss
haften bleibt, Während historische Gestalten sich demselben fest ein-
prägen. Der Grund ist wohl kein anderer, als dass jene nicht durch
unsere Seele, sondern nur an unseren Augen vorübergegangen sind.
Die drei christlichen Tugenden, Glaube, Liebe, Hoffnung, prägen sich
schon viel fester ein, weil sie nicht wesentlich durch äussere Attri-
bute, sondern durch gesteigerten Seelenausdrucl: charakterisirt zu Wer-
den pilegen und uns daher zum Nachempfinden auffordern. Die Künste
cund Wissenschaften, in der Cap. d. Spagnuoli bei S. Maria novclla .in
grosser vollständiger Reihe vorgetragen und von ihren Repräsentanten
begleitet, Würden uns ohne die sienesisch süssen Köpfe gleichgültig
dlassen; Giotto in seinen Reliefs am Campanile, Welche ein Jahrzehnd
neuer sein können als diese Gemälde, ersetzte nicht umsonst die alle-
gorisclie Figur durch das Bild der entsprechenden Thätigkeit. Und
Woher stammte im Grunde die Anregung zu dieser durch das ganze
(auch byzantinische) Mittelalter gehenden Lust am Allegorisiren? Sie
war ursprünglich das Residuum der antiken Mythologie, Welche mit
dem Christenthum ihre wahre Bedeutung eingebüsst hatte. Ihr Ahn
heisst Marcianus Capella. und lebte im V. Jahrhundert. Die Kunst
wird die Allegorie nie ganz entbehren können und konnte es schon
im Alterthum nicht, allein sie wird in ihren Bliithezeiten einen nur
mässigen Gebrauch davon machen und keinen gehcimthuenden Haupt-
accent darauf legen. (Vgl. S. 702 ff.)
Hauptsächlich aber wird sie derartige Gestalten abgesondert dar-
stellen und nicht in historische Scenen hineinversetzen. (Vgl. Rafael:
eDecke der Camera della Segnatura, und Saal Constantins.) Giotto
war kühner: er liess sich, ohne Zweifel durch Dante, verführen, in