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Malerei des germanischen Styles.
Giotto und Schule.
selben Gegenstandes, wo die drei schlafenden Jünger zwar nach allen
Gesetzen der verfeinerten Kunst geordnet, eolorirt und beleuchtet,
aber eben nur drei Schläfer in idealer Drapcrie sind. Giotto deutete
an, dass sie unter dem Beten eingeschlafen seien. Und solcher un-
sterblich grossen Ziige enthalten die Werke seiner Schule viele, aber
nur wer sie sucht, wird sie finden. Wir wollen vom Einzelnen
anfangen.
Giott0's grosses Verdienst lag nicht in einem Streben nach idealer
Schönheit, worin die Sienesen (S. 747, b) den Vorrang hatten, oder nach
Durchführung bis ins Wirkliche, bis in die Täuschung, worin ihn der
Geringste der Modernen übertrcifen kann, und worin schon der Bild-
hauer Giovanni Pisano trotz seiner beschränkten Gattung viel weiter
gegangen war. Das Einzelne ist nur gerade so weit dnrchgebildct
als zum Ausdruck des Ganzen nothwendig ist. Daher noch keinerlei
Bezeichnung der Steife aus welchen die Dinge bestehen, kein Unter-
schied der Behandlung in Gewändern, Architektur, Fleisch u. s. w.
Selbst das Colorit befolgt eher eine gewisse conventionellc Seala
aals die Wirklichkeit. (Rothe, gelbe und bläuliche Pferde abwechselnd,
z. B. bei Spinello im Camposailto in Pisa; die braunrothe Luft in
der Geschichte Hiobs, bei der Audienz des Satans, ebenda.) Im Ganzen
ist die Färbung eine lichte, wie sie das Fresco verlangt, mit noch
hellern Tönen für die Lichtpartien; von der tiefen, eher dumpfen als
durchsichtigen byzantinischen Tonweise ging man rnit Recht ab. (Die
bdelicateste Ausführung des Fresco überhaupt bei Antonio Veneziano,
Camposanto.) Die Bildung der menschlichen Gestalt erscheint
so weit vcrvollkommnet als zum freien Ausdruck der geistigen und
leiblichen Bewegung dienlich ist, letztere aber wird noch nicht dar-
gestellt weil oder wenn sie schön und anmuthig ist, sondern weil der
cGegenstand sie verlangt. (Die bedeutendste Menge nackter Figuren,
in der Hölle des Bcrnardo Orcagna, Camposanto, lässt einen Natura-
lismus erkennen, dessen Ursprung bei Giovanni Pisano zu suchen
dsein möchte. Ähnlich, doch unfreier, die Geschichte der ersten Men-
schen, von Pietro di Pueeio, ebenda.) Der 'I'ypus der Köpfe ist
Wohl bei den einzelnen Malern und innerhalb ihrer Bilder nach den
Gegenständen ein verschiedener, allein doch ungleich mehr derselbe
als bei Spätern, Welche durch Contraste und psychologische Abstufung