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Malerei des XVI. Jahrhunderts.
Venedig.
Neben Tintoretto repräsentirt der grosse Paolo Veronese
(eigentlich Caliari, 1528-1588) die schönere Seite der venezianischen
Malerei.
Er war hervorgegangen aus der bereits von Venedig her berühr-
ten Schule seiner Vaterstadt, wo sich immer einige Localmaler, früher
mit sehr bedeutenden (S. 818 u. 960), später wenigstens mit nicht zu
verachtenden Leistungen (S. 964, i) hervortliaten. Von seinen nächsten
Vorgängern findet man in Verona eine Menge Werke. (Von Tor-
nbidds Schüler Giambattista del moro z. B.: in S. Nazaro e Celso
die Lunetten über den meisten Altären; in beiden Seitenschiffen von
bS. Stefano einfarbige Fresken aus der Legende des Heiligen. Von
cDOIIIEBIIiCO Rioei, gen. Brusasorci: ebenfalls in S. Stefano die
schwachen Kuppelmalereien und das Fresco über der rechten Seiten-
thür, der Heilige umgeben von den unschuldigen Kindlein, welche
dwie er als „Erstlinge des Marterthums" bezeichnet werden; zu S. M.
in organo die Fresken der Cap. l. vom Chor; in S. Fermo die Lu-
e nette des 1. Alt. r., mit der Enthauptung eines heil. Bischofs. Von
fPaolo Farinato: sämmtliehe, zum Theil ganz bedeutende Fresken
im Chor von S. Nazaro e Celso. Von Paolo Caliarfs nächstem
gLehrer Giov. Badile: ein Bild in der Pinacoteca, zwei Engel, die
den todten Christus ins Grab senken, bez. 1556.) Allein Paolo ver-
dankt sein Bestes wesentlich dem Vorbilde Tizians und Venedigs
überhaupt.
Pao10's Grösse liegt darin, dass er, den wahren Genius der vene-
zianischen Schule erkennend, nicht eine bewegte Historienmalerei auf
den anders gearteten Stamm zu pfropfen suchte wie 'l'int0retto, son-
dem die Existenzmalerei auf eine letzte, unübersteigliche Stufe hob
und auch das Oolorit diesem gewaltigen Problem gerniiss zu steigern
vermochte.
Seine Charaktere sind nicht höher, erhabener als die der bessern
Vorgänger, besitzen aber den Vorzug eines so freien, unbefangenen,
absichtlosen, lebensfrohen Daseins wie wohl bei keinem andern Maler
der Welt I). In den sante eonversazioni befolgt er die Anord-
1) WVer brachte die Venezianer etwa seit den 1540er Jahren darauf, den Wei-
bern jene oft fast unförnxliche Üppigkeit zu geben? Auch der spätere Tizian