934 Malerei des XVI. Jahrhunderts. Venedig.
man auf die Vermuthung, dass er dergleichen als Mindestfordernder
accaparirt und grossentheils als Improvisator durchgeführt habe. x
Es giebt von ihm zunächst treifliche Bildnisse, welche in Venedig
noch nicht sorglos gemalt werden durften. (Zweifelhafte, aber schöne
aim Pal. Pitti; das con amore gemalte des Jac. Sansovino und das
ebenfalls sehr ausgezeichnete eines bärtigen Mannes in rothem Staats-
bkleid etc. in den Uffizien; andere überall.) Sodann sind überhaupt
"Werke seiner frühern Zeit durch den vollen tizianischen Goldton ebenso
schätzenswerth als die irgend eines andern Nachfolgers des grossen
cMeisters; so das naive Bild: Vulcan, Venus und Amor, im Pal. Pitti,
dessen Gleichen man in Venedig kaum linden wird. Auch die Decken-
dstückc aus ovidischen Metamorphosen in der Galerie von Modena sind
noch ziemlich farbenreich. In Venedig gehört am ehesten hieher das
oWunder des heil. Marcus, der einen gemarterten Sclaven aus
den Händen der Heiden rettet (Academie). Hier geht T. vielleicht zum
erstenmal über alle bisherigen venezianischen Absichten hinaus; die
Scene ist ungleich bewegter und confuser; der Künstler sucht Ver-
kürzungen der schwierigsten Art auf und verräth z. B. in dem häss-
lich kopfabwärts schwebenden Heiligen, dass alle höhere Auffassung
ihm nichts gilt, sobald er seine äusserliche Meisterhaftigkeit an den
Cllag zu legen Anlass hat. (Rubens hat viel nach diesem Bilde studirt.)
Dann eine ebenfalls noch schön gemalte aber frivole Darstellung
der Ehebrecherin, welcher man es ansieht, dass sie den gemeinen
Christus nicht respectirt. (Ebenda) Ein anderes Werk der noch
f guten Palette: die Geschichten des wahren Kreuzes, im rechten Quer-
schiif von S. M. mater Domini. Auch die grosse Hochzeit von Cana
glll der Sacristei der Salute (kleineres Exemplar in den Ufiizien); ein
stattliches G-enrebild von häuslichen) Charakter (nicht von fürstlichem
wie bei Paolo Veronese), Wobei Wenigstens das lzVunder und seine
Wirkung löblicher WVeise in den Vordergrund verlegt sind. Von
h den 56 zum 'I'heil colossalen Bildern, womit T. die ganze Scuola di
S. Rocco angefüllt hat, ist hauptsächlich die grosse Kreuzigung (in
der sog. Sala delP albergo) noch schön gemalt und theilweise auch
im Gedanken bedeutend. Hier lernt man denn auch die hochwichtige
historische Stellung Tis vollständig kennen; er zuerst gestaltet (be-
sonders in der grossen obern Halle) die heilige Geschichte von An-