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Malerei des XVI. Jahrhunderts.
Coreggio.
Grunde liegen muss; allein es sind Bilder der heitersten Jugend, Im-
provisationen voll von Leben und von Schönheit. (Gutes Reflexlicht
bei Sonnenschein 10-12 Uhr.)
Bald darauf, 1520-1524, malte C. in S. Giovanni, und zwar wohl
zuerst die schöne und strenge Gestalt des begeisterten Evangelisten
a in einer Thiirlunette des linken Querschiiiles. Dann die Kuppel.
(Im Februar War um 12 Uhr und gegen 4 Uhr die Beleuchtung am
leidlichsten. S. 205, oben.) Es ist die erste einer grossen Gesammt-
composition gewidmete Kuppel; Christus in der Glorie, von den auf
Wolken sitzenden Aposteln umgeben, und zwar Alles als Vision des unten
am Rand angebrachten Johannes. Die Apostel sind echte Lombardcn
des nobeln Typus, von einer grandiosen Körperlichkeit; der greise,
ekstatisehe Johannes (absichtlich?) unedler. Die völlig durchgeführte
Untensicht, von Welcher dieses Beispiel das friihste erhaltene und jeden-
falls das friihste so ganz durchgeführte ist (vgl. S. 952, Anm), erschien
den Zeitgenossen und Nachfolgern als ein Triumph aller Malerei. Man
vergass, welche Theile des menschlichen Körpers bei der Untensicht
den Vorrang erhalten, während doch der Gegenstand dieses und der
meisten spiitern Kuppelgemälde die Glorie des Himmels nur
das geistig Belebteste vertragen Würde. Man empfand nicht mehr,
dass für diesen Gegenstand die Raumwirklichkeit eine Entwiirdigung
ist und dass überhaupt nur die ideale, architektonische Composition
ein Gefühl erwecken kann, welchesldemsellaen irgendwie gemäss ist. Nun
ist schon hier gerade die Hauptgcstalt, Christus, wahrhaft froschartig
verkürzt; auch bei einzelnen Aposteln rücken die Kniee bis gegen
den Hals. Als Raumverdeutlichung, Stütze und Sitz, malerisch auch
als Mittel der Abstufung und Unterbrechung dienen die Wolken,
welche Coreggio als consistent geballte Körper von bestimmtem Vo-
lumen behandelt. Auch an den Pendentifs (Zwickeln) der Kuppel
sitzen die an sich sehr schönen, nur iibermtissig verkürzten Gestalten
je ein Evangelist und ein Kirchenvater auf Wolken, während
noch Michelangelo seinen Propheten und Sibyllen an ähnlicher Stelle
feste Throne gegeben hatte.
Die Halbkupp el de s Chores derselben Kirche, mit der grossen
Krönung der Maria, wurde 1584 abgebrochen. Doch wurde die Haupt-
gruppe (Christus uud Maria) gerettet und ist gegenwärtig in einem