Plorentinische Porträts.
Die Grablegung.
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in florentiniseher Tracht, welches dem R. zugeschrieben wird und
jedenfalls von erstem Range ist. Es scheint von einem künftigen Meister
des Helldunkels gemalt, was Rafael nie wurde, auch zeigen die Flächen
der Leinewaxid und der Damastermel eher etwa die Behandlungsweise
des Andrea. del Sarto. Die lilodellirung ist wunderbar schön und
iieissig, wie sie Andrea's spätere Arbeiten allerdings nicht mehr auf-
weisen. Die Verkürzung der einen Hand hätte der so weit aus-
gebildete Rafael unbedingt besser gegeben. Der Charakter des
Kopfes erzählt eine ganze Jugendgeschichte voll Liebe und Güte.
Im Jahr 1507 malte Rafael auch sein erstes grosscs bewegtes
Historienbild; es ist dic Grablegung in der Galerie Borghese zua
Rom. Ein Werk der höchsten Anspannung aller Kräfte, noch nicht
frei von gewissen Befangenheiten (z. B. in der Anordnung der Füsse),
mit einzelnen Gesichtsformen, Welche schon auf ein abgeschlossenes und
damit der Manier sich niiherndes Ideal hindeuten, wovon R. sich später
wieder frei machen musste. Aber ein ewig grosses Wunderwerk der
Linienführung, der dramatischen und malerischen Gegensätze, und des
Ausdruckes. Es genügt z. B. die Vertheilung der physischen An-
strengung und der Seelentheilnahme zu verfolgen, um R. allen Zeit-
genossen vorzuziehen. Der Christusleichnam ist in Form und Ver-
kürzung vollkommen edel. Die Predella dazu, grau in grau dieh
Figuren von Glaube, Liebe und Hoffnung in Rundbildem auf grün-
liehem Grunde darstellend, mit je zwei Engelknaben zu den Seiten,
befindet sich in der vaticanisehen Galerie. Es sind scheinbar nur
leichte Skizzen, aber schon in Composition und Geber-de liegt ein
Ausdruck, den man nicht bezeiehnender wünschen möchte. Mit mög-
lichst Wenigem ist hier möglichst Grosses gegeben. (Die obere Lu-
nette, Gottvater mit Engeln, findet sich noch in S. Francesco deH;
Conventuali zu Perugia, wo einst das ganze Werk stand, aber nicht
über der Copie desselben von Arpino, sondern über einem Altarbild
der rechten Seite, die Geburt Christi von Orazio Alfani.)
Mit diesem entscheidenden Werke legitimirte sich Rafael als der-
jßnige, der allein neben Michelangelo die Gedanken Papst Julills II
ganz würdig ausführen konnte. Der Papst berief ihn 1508 nach Rom,
B. Cicerune. 57