Rafael.
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rechtkommen und einen dauernden Eindruck mitnehmen kann. Die
folgenden Andeutungen sollen auch nur die zum Theil versteckt lie-
genden Bedingungen dieses Eindruckes klar machen helfen.
Was in Rafaels Leben (1483-1520) als Glück gepriesen wird,
war es nur für ihn, für eine so überaus starke und gesunde Seele,
eine so normale Persönlichkeit wie die seinige. Andere konnten unter
den gleichen Umständen zu Grunde gehen. Er kam bald nach seines
Vaters Tode (Giov. Santi st. 1494) in die Schule des Pietro Perugino
und arbeitete bei diesem bis etwa 1504. So war seine Jugend um-
geben von lauter Bildern des gesteigerten Seelenausdruekes und der
fast normalen Symmetrie. Die Schule konnte als eine zurüekgebliebene,
sehr unentwiekelte gelten, sobald es sich um Vielseitigkeit der Zeich-
nung und Composition, um das Studium der ganzen Menseliengestalt
handelte, und selbst der Ausdruck ging gerade damals bei Meister
Perugino in eine handwerksmiissige Wiederholung des für innig und
schön Geltenden über. Es ist als hatte Rafael das gar nicht ge-
merkt. Mit dem wunderbarsten Kinderglauben geht er auf Peruginds
(damals schon nur scheinbare) Gefiihlsweise ein und belebt und er-
wärmt das erkaltende Wesen. Wo er als Gehiilfe in die Bilder des
Meisters hineinmalt, glaubt man die Ziige aus Peruginds eigener bes-
serer Jugend zu erkennen, so wie er immer hätte malen sollen 1);
ebenso verhalt es sich mit Rafaels eigenen frühern Arbeiten. In der
Krönung Maria (vatican. Galerie) tritt erst zu 'l'age, was diea
Richtung Peruginds vermochte; wie ganz anders, wie viel himmlisch
reiner giebt hier Rafael die süsse Andacht, die schöne Jugend, das
begeisterte Alter wieder, als diess der Meister je gethan hat! ab-
gesehen davon, dass er schon ungleich reiner zeichnet und drapirt.
Die kleinen Predellenbilder dieses Altarblattes, in einem andern Saalb
derselben Galerie, zeigen schon beinahe ilorentinisch freie Formen
1) Diess bezieht sich besonders auf Bafaels Anlheil an der Anbetung des neu-ß
geborncn Kindes in der vatican. Galerie. Hier wird der Kopf des Joseph
unbedingt als sein Werk betrachtet; die Köpfe der Engel und der Madonna
können wohl nur entweder von ihm oder von Spagna sein. In der eben-
dort befindlichen Auferstehung wird wenigstens der schlafende Jüngling rechts
ihm zugeschrieben. In der Sacristei von S. Pietro zu Perugia ist der das e;
Christushind liebliosenrlc Johannes-eine Copie Rfs nach Perugino.