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Malerei des XVI. Jahrhunderts.
Pra. Bartolommeo.
sie nicht wussten, dass Alles was bei ihm so aussah,
innerstes persönliches Wesen bedingt gewesen War.
durch
sein
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Die florentinische Malerei blüht mit Lionardo und Michelangelo
noch nicht vollständig aus. Die unermesslichen Lebenstriebe, welche
das XV. Jahrh. in dieser Weihestätte der Kunst geweckt und aus-
gebildet hatte, erreichen noch in zwei andern grossen Meistern eine
Vollendung, welche ganz eigener Art und von jenen beiden wesentlich
unabhängig ist.
Der eine ist Fra Bartolomrneo (eigentlich Baecio della. Porta,
1469-1517), ursprünglich Schüler des Oosimo Rosselli; seine. Be-
freiung aus den Banden: des XV. Jahrhunderts verdankte er Lionardo;
sein positiver Inhalt ist ihm eigen I). Er zuerst hat das hohe Gefühl
vollständig zu empfinden und Wieder zu erwecken vermocht, Welches
aus dem Zusammenklang grossartigei- Charaktere, reiner imposanter
Gevvandungen und einer nicht bloss symmetrischen, sondern architek-
tonisch aufgebauten Gruppirung entsteht. Seine persönliche Empfin-
dung hat nicht immer genügt, um dieses gewaltige Gerüste völlig zu
beleben, und hierin steht er dem Lionardo nach, welcher immer Schön-
heit, Leben und Charakter an Einem Stücke giebt. Auch würde er
für bewegte Compositionen überhaupt nicht ausgereicht haben, Allein
was das Altarwerk im engcrn Sinn verlangt, hat Keiner mit vollkomm-
nerer Hoheit dargestellt.
Die Freiheit und Grösse seiner Charakterauffassung lernt man im
aEinzelnen kennen aus einer Anzahl von Heiligenköpfen a1 Freseo in
der Academie zu Florenz; Wozu noch ein herrliches Eccehomo im
i
1) Die beiden wunderschönen kleinen Tiifclchen in den Uffizien (Anbetung des
Kindes, und Darstellung im Tempel) gelten als frühe Arbeiten, aus der Zeit,
da der Jlleister noch nicht ins Kloster S. Murco getreten war. (Also vor
1500.) Ich kann mich nach öfterer Untersuchung immer weniger in diese
Zeitannahme schicken. Die sichere Reihe der Werke des Frate beginnt
dann um 1504 mit der Madonna di S. Bernardo, in der Academie.