Volltext: Malerei (Nebst Register über alle drei Theile) (Bd. 3)

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Malerei des XVI. Jahrhunderts. 
Michelangelo. 
Kräfte besitzt, dieses ganze ungeheure (stellenweise sehr verdorbene) 
Bild nach Gruppirung und Einzelmotiven gewissenhaft durehzugehen. 
Dasselbe will nicht nach dem ersten Eindruck, sondern nach dem 
letzten beurtheilt sein. 
Der grosse Hauptfehler kam tief aus Michelangelds Wesen her- 
vor. Da er längst gebrochen hatte mit Allem was kirchlicher Typus, 
was religiöser Gemüthsanklang heisst, da er den Menschen  gleich- 
viel welchen  immer und durchgängig mit erhöhter physischer Macht 
bildet, zu deren Äusserung die Nacktheit wesentlich gehört, so existirt 
gar kein kenntlicher Unterschied zwischen Heiligen, Seligen und Ver- 
dammten. Die Bildungen der obern Gruppen (sind nicht idealer, ihre 
Bewegungen nicht edler als die der untern. Umsonst sucht man nach 
jener ruhigen Glorie von Engeln, Aposteln und Heiligen, welche in 
andern Bildern dieses Inhaltes schon durch ihr blosses symmetrisches 
Dasein die Hauptgestalt, den Richter, so sehr heben, vollends aber bei 
Oreagna und Fiesole mit ihrem wunderbaren Seelenausdruck einen 
geistigen Nimbus um ihn ausmachen. Nackte Gestalten, wie Michel- 
angelo sie wollte, können einer solchen Stimmung gar nicht als Träger 
dienen; sie verlangen Gestus, Bewegung und eine ganz andere Ab- 
stufung von Motiven. Auf die letztern hatte es der Meister eigentlich 
abgesehen. Es sind zwar in dem Werke viele und sehr grosse poe- 
tis ehe Gedanken; von den beiden obern Engelgruppen mit den Mar- 
terwerkzeugen ist diejenige links herrlich in ihrem Heranstürmen; in 
den emporschwebenden Geretteten ringt sich das Leben wunderbar 
Yoxn Tode los; die schwebenden Verdammten sind in zwei Gruppen 
dargestellt, wovon die eine durch kämpfende Engel mit Gewalt zu- 
rückgedrängt, durch Teufel abwärts gerissen, eine ganz grossartig dä- 
monische Scene bildet, die andere aber jene Gestalt des tiefsten Jam- 
mers darstellt, die von zwei sich anklammernden bösen Geistern wie 
von einem Schwergewicht hinunter gezogen wird. Die untere Seene 
rechts, wo ein Dämon mit erhobenem Ruder die armen Seelen aus 
der Barke jagt, und wie sie von den Dienern der Hölle in Empfang 
genommen werden, ist mit grandioser Kühnheit aus dem Unbestimm- 
ten in einen bestimmten sinnlichen Vorgang übertragen u. s. w.  
Allein so bedeutend dieser poetische Gehalt sich bei näherer Betrach- 
tung herausstellt, so sind doch wohl die malerischen Gedanken im
	        
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