Leidender Satyr.
Silen.
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Einen andern leidenden Satyr glauben wir in dem vorzüglichen
Colossaltorso der Uffizien (Halle des Hermaphr.) zu erkennema
Nach einem Ansatz des linken Schenkels zu urtheilen, muss er ge-
sessen oder gelehnt haben, während doch die Formen des Leibes die
grösste Erregung zeigen. Welcher Art sein Leiden war, ob ihm ein
Dorn ausgezogen wurde u. dgL, ist schwer zu errathen. Als derber
und wilder Satyr giebt er sich durch die herculische Bildung von
Brust und Rücken, durch den auswärts geschobenen Bauch mit kräf-
tigen Adern zu erkennen.
Einer der alten Satyrn (ja eine ganze Gattung derselben) führt
den Namen Silen. Er könnte der wohlmeinende Vater der ganzen
Sehaar sein, allein sein unverbesserlicher WVcindurst macht ihm zu oft
die stützende Hiilte der Jiingern nöthig und bringt ihn um alle Ach-
tung. Der alte, fette, kahle Bufibne kann sich nicht einmal immer
auf seinem Eselchen halten, sondern muss auf einem Karren mit-
gefahren werden; dafür wird er geneckt ohne Erbarmen. Diese seine
Privatleiden erfährt man jedoch fast nur aus Vasen und Reliefs; in
den Statuen macht er etwas bessere Figur. Die Haarlöckchen, die
über seinen ganzen Leib verbreitet sind, die Behandlung der Extre-
mitäten, ja die fast angenehme Hässliehkeit seines Kopfes selbst geben
ihm bisweilen etwas sehr Distinguirtes. So wird man z. B. dem Silenll
der Villa Albani (im sog. KaiTehaus) schon seiner niedlich gestellten
Füsse wegen zugestehen, dass er eigentlich zum Geschlecht der feinem
Schwelger gehöre. (Ein anderes, sehr gutes, aber weniger erhaltenesß
Exemplar in der Sala delle Muse des Vaticans.) Im Ganzen aber
sind Silen und sein Schlauch gar zu unzertrennlich, als dass dem
jilten gründlich zu helfen vräre. Er reitet darauf und hält das weiche
Geiüss an zwei Zipfeln (Statuette im Museum von Neapel, grossed
Bronzen), Während dessen lilündung, wie in der Regel, als Brunnen-
Öffnung dienen muss; er liebkost den theuren Behälter (Statuette
ebenda), gerade wie er es sonst mit dem kleinen Panther des Bacchus
macht (Statuette ebenda).l Eine kleine Marmorfigur im obern Gange
des Vaticans stellt den komischen hlomeiit dar, in {welchem er den
Schlauch und das Trinkhorn beim besten Willen nicht mehr in Ver-
bindung bringen kann.