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Antike Sculptur.
Artemis.
untern Ende des Gewandes der Schwan. (Ich kenne davon fünf Exem-
l plare: Museum von Neapel, zweiter Gang; Museo capitolino, grosser
Saal; Uffizien in Florenz, erster und zweiter Gang, das letztere
vielleicht am besten gearbeitet; grosser Saal des Palazzo vecchio
in Florenz.) Ob das Gewand irgend eine Stütze verhüllend gedacht
ist, von der doch wenigstens in den vorhandenen Wiederholungen gar
keine Andeutung erscheint? Oh ein ehernos Original vorlag, dessen
Stütze dem Copisten in Marmor nicht genügen konnte? Jedenfalls muss
das Urbild von hohem Werthe gewesen sein, wie schon die öftere
Wiederholung und die höchst anmuthige Stellung zeigt. Das zweite
üorentmische Exemplar hat einen fast weiblichen und doch echten Kopf.
Die Schwester Apolls hat wie in den Grundbedeumngen (als
Kämpferinn gegen Thiere und Frevler und als Lichtspenderin) so auch
in der Gestalt Ähnlichkeit mit ihm. Die Kunst der Bliithezeit bildete
sie indess nicht zu einem so allseitigen Ideal aus wie den Bruder; der
Aphrodite blieb es vorbehalten, die „Wonne der Götter und der Men-
sehen" zu werden, während in Artemis Bewegung und Thiitigkeit
zu sehr vorherrsehten. Ihre sehr zahlreichen, aber fast durchgängig
stark restaurirten Statuen lassen sich auf zwei merkbar verschiedene
Typen zurückführen.
Der eine ist der einer reifen Jungfrau von reicher, voller Bildung,
welche sich bisweilen in der Rundung und den Zügen des Hauptes
der siegreichen Aphrodite nähert. Die Gestalt ist wohl die der J äge-
rin, allein ohne alles Amazonenhafte, von milden Formen. So sehen
bwir sie, ganz bekleidet, in der liebenswürdigen Statue des Braccio
nuovo (Vaticen); es istDiana, die den schlafenden Endymion be-
schleicht, ängstlich und behutsam, in denkbar schönster Bewegung.
Die meisten Statuen stellen sie jedoch bloss in dem bis über die
Kniee aufgeschiirzten Untergewand, hurtig schreitend, begleitet von
einer Hirsehkuh, auch wohl von einem Hunde dar. So das mittel-
c miissige, aber des Kopfes wegen charakteristische Werk im Museum
von Neapel (zweiter Gang). Bisweilen sind ihre Locken über der
Stirn zu einem Bunde (Krobylos) geknüpft, wie es der Jägerin und
auch dem streitbaren Apoll zukömmt, (der schönen Wirkung halber