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Barocksculptur.
Farbige Bemalu ng.
Endlich erkennt der Naturalismus der berninischen Plastik seine
eigenen Consequenzen offen an. Wenn einmal die Darstellung eines
möglichst aufregenden Wirklichen das höchste Ziel des Bildhauers sein
soll, so gebe er die letzten academischen Vorurtheile über Linien,
über Gruppenbildung u. dgl. auf und arbeite ganz auf dieses Wirk-
liche hin, d. h. er füge die Farbe hinzu! Schon das Mittelalter,
dann die realistischen florentinischen Bildner des XV. Jahrh, die
Robbia, vorzüglich Guido Mazzoni, waren hierin ziemlich Weit ge-
gangen, überdiess wird das bemalte Bildwerk eine Verständlichkeit
für sich haben und einer Popularität gemessen, um welche man es
zu wenig beneidet.
Und es entstanden wieder zahllose bemalte Heiligenfiguren von
Holz, Stucco und Stein. WVer sich von Bildhauern irgend etwas
diinkte, wollte allerdings mit dieser Gattung nichts zu thun haben;
die academische Kunst schlossikein Vcrhältniss mehr mit ihr; sie
mied die Verwandtschaft und Concurrenz mit jenen periodisch neu
drapirtcn Wachspuppen, welche z. B. in Glaskasten auf den Altären
neapolitanischer Kirchen prangen. Allein bisweilen verspinnt sich
doch ein schönes Talent in die bemalte Sculptur und leistet darin
Vorzügliches. In Genua lebte um das Jahr 1700 ein Künstler dieser
Art, Maragliano, dessen Arbeiten ungleich erfreulicher sind als
die meisten Papstgräber in S. Peter. Man überliess ihm meist eine
ganze, etwa besonders von oben beleuchtete Nische über dem Altar,
in Welcher er seine Figuren ohne den Anspruch auf eine plastische
Gruppe, vielmehr bloss 'ma1erisch ordnete. Mit der Farbe hatte er
auch dazu das Recht, Während jene Sculptoren in Marmor, die ihre
Nischengruppen ähnlich bildeten, ein wüstes Zwitterwesen hervor-
brachten. Gegen das unheimlich Illusionäre der WVachsbilder schützte
ihn die plastische und in seinem Sinn ideale Gcwandung. Sein Ma-
terial ist, Wie ich glaube, bloss Holz (bei grössern Figuren von zu-
sammengenieteten Blöcken), ohne Nachhülfe mit Stucco.
Diese Arbeiten sind gleichsam eine höhere Gattung der Präsepien,
welche in Italien noch gegenwärtig um die Zeit des Dreikönigstagesß
in den Kirchen (im Kleinen auch in Privathäusern) aufgestellt wer-
den; nur hier mehr künstlerisch abgeschlossen und mit einem bedeu-
tenden Talent, mit Fleiss und Liebe durchgeführt. Maragliano ist