Grabmäler als Wandsculpturen. 705
Geschmack (S. 390) höchst gefährlich balancirend sitzen. (Ein Bei-
spiel von vielen in S. Petronio zu Bologna, 2. Cap. links.) Was unsa
besorgt macht, ist der Naturalismus ihrer Darstellung und die seil-
tänzerische Priitension auf ein wirkliches Verhältniss zu dem Raume
wo sie sich befinden, d. h. auf ein wirkliches Sitzen, Stehen, Lehnen
an einer halsbrechenden Stelle. Für eine Statue des XIV. Jahrh,
mit ihrem einfachen idealen Sqyl, ist dem Auge niemals bange, so hoch
und dünn auch das Slaitzthiirmehen sein mag, auf Welchem sie steht.
Doch wir müssen noch einmal zu den Grabmälern zurückkehren.
Die Naehtreter haben Bernini weit überboten sowohl in der plastischen
als in der poetischen Rücksichtslosigkeit. Als sie einmal, wie bei
Anlass der Altargrnppen weiter zu erörtern ist, die Gattungen der
Frcisculptur und des Hochreliefs zu einer Zwitterstufe, der Wand-
ggulptllf (sit venia verbo) vermengt hatten, War schlechterdings
Alles möglich. Bei der totalen VQIWVilÖGITIIIg des Styles rivalisirte
man jetzt fast nur noch in „Ideen", d. h. in Einfällen und, Wer
seine Geschicklichkeit zeigen wollte, in naturalistischem Detail. ,Hier
halten weinende Putten ein Bildnissrnedaillon; dort beugt sich ein
Prälat über sein Betpult hervor; ein verhiilltes Gerippe öffnet den
Sarg; abwärts purzelnde Laster werden von einer Inschrifttafel er-
drückt, über Welcher oben ein fader Posaunenengel mit einem Me-
daiilon schwebt; für alle Arten von Raumabstufung müssen marmorne
Wolken herhalten, die aus der Wand hervorquellen, oder es flattern
grosse marmorne Draperien rings herum, für deren Brüche und Bau-
schen die Motivirung erst zu errathen ist. Statt aller Denkmäler
dieser Art nennen wir nur das der Maria Sobieska. im linken Seiten-b
schiii" von S. Peter, als eines der prächtigsten und sorgfältigsten (von
Pi_etro Bracci). - In Florenz ist die unter Fogginfs Leitung decorirtee
(1692 vollendete) Cap. Feroni in der Annunziata. (die zweite links)
ein wahres Prachtstück berninesker Allegorie und Formenbildung.
Als Grabcapelle des (in Amsterdam als Kaufmann reich gewordenen,
später in Florenz als Senator festgehaltenen) Francesco Feroni hätte
sie nur Eines Sarcophages bednrft; der Symmetrie zu Liebe wurden
es zweie; auf dem einen sitzen die Treue (mit dem grossen bronzenen
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