Volltext: Sculptur (Bd. 2)

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Barocksculphxr. 
Bis gegen das Jahr 1630 hin hatte die Sculptur die Lebenskräfte 
desjenigen Styles, der mit Andrea Sansovino begonnen, vollständig 
aufgezehrt. Sie hatte versucht, in wahrhaft plastischem Sinne zu bil- 
den; aus den todten Manieren der römischen Maler-schule hatten sich 
einzelne Bessere von Zeit zu Zeit immer zu einem reinern und wah- 
reren Darstellungsprincip hindurchgekämpft; die eigentliche Grundlage 
der Plastik, die abgeschlossene Darstellung der menschlichen Gestalt 
nach bestimmten Gesetzen des Gleichgewichtes und der Gegensätze, 
schien gesichert. Zu einem reinen und überzeugenden Eindruck 
aber hatte diese Kunst es im letzten halben Jahrhundert (etwa. 1580 
bis 1630) doch nicht mehr gebracht. Theils ist des Trübenden zu 
viel darin (die genannten römischen Manieren, die alten und neuen 
naturalistischen Einwirkungen, die verlockenden Kühnheiten des Mi- 
chelangelo, die Principlosigkeit der Gewandung), theils fehlt es an 
durchgreifenden Künstlerindividualitätcn, an wirklichen frischen Kräften, 
indem sich damals die Besten alle der Malerei zuwandten. Wesshalb 
thaten sie diess? Weil der Kunstgeist der Zeit sich überhaupt nur 
in der Malerei mit ganzer Fülle ansprechen konnte. 
Einige Decennien hindurch hat nun die Malerei einen neuen, die 
Sculptur noch den alten Styl. Endlich entschliesst sie sich, der Malerei 
(deren Vorgängerin sie sonst ist) nachzufolgen, deren Auffassungsweise 
ganz zu der ihrigen zu machen. Das Relief ist schon seit dem XV. Jahrh. 
ein Anhängsel der Malerei; die Freisculptur war durch die grössten 
Anstrengungen der Meister der goldenen Zeit vor diesem Schicksal 
einstweilen bewahrt werden; jetzt unterlag auch sie.  Welches der 
Geist dieser Malerei War, der fortan auch in den Sculpturen lebt, wird 
unten im Zusammenhang zu schildern sein. In der Malerei können 
wir ihm seine Grösse und Berechtigung zugestehen; in der Sculptur 
gehen die wichtigsten Grundgesetze der Gattung daroh verloren und 
es entsteht kein grösseres, namentlich kein ideales Werk mehr, das 
nicht einen schweren Widersim; enthielte. Nicht ohne Schmerz sehen 
wir ganz ungeheure Mittel und einzelne sehr grosse Talente auf die 
Seulptur verwendet, welche die folgenden anderthalb Jahrhunderte 
hindurch (1630-1780) über Italien und von da aus über die ganze Welt 
herrschte. Ihr Sieg war schnell und unwiderstehlich, wie überall, wo in 
der Kunstgeschichte etwas Entschiedenes das Unentschiedene beseitigt.
	        
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