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Sculptur des XVI. Jahrhunderts.
Oberitaliener.
wie lässt er den Schleier der Madonna flattern! Aber auch welche
Schönheit in den Köpfen und in der Kindcrgestalt des 'I'äufers Jo-
hanncs, der seine Mutter begleitet!
Die späteste Zeit Begarellüs glaube ich (abgesehen von jenem
Altar des Querbaues in S. Pietro) zu erkennen in der grossen Gruppe
avon S. Domenico zu Modena (Durchgang aus der Kirche in die
untere Halle des Academiegebäudes). Es ist die Scene von Martha
und Maria, letztere vor Christus knieend, erstere sammt zwei Mäigden
rechts, zwei Jünger links. Unverkennbar wirkt hier der Geist der
römischen Malerschule auf den Künstler ein, wie schon die Draperien
beweisen; auch macht sich (z. B. in der Martha, die auch als Ein-
zelstatue gut ist) der Gegensatz der entsprechenden Theile des Körpers
auf bewusstere Weise geltend. Die Köpfe sind noch meist von naiver
Schönheit.
1, (Ein kleines Presepio Bis im Dom, unter dem 4. Altar links, in
der Regel verschlossen, hat der Vcrf. nicht gesehen.)
Wahrscheinlich hat B. seine Gruppen nicht bemalt. Auch wo die
jetzige Bevveissung abspringt, kömmt keine Farbe zum Vorschein I).
Die meisten oberitalienischen Sculptoren der Zeit suchen, im Ge-
gensatz zu diesem entschlossenen Realisten, ihre heimische Befangen-
heit durch den von Florenz und Rom ausgehenden Idealismus auf-
zubessern. Welche von ihnen die Werke A. Sansovinds und die
ebenfalls sehr einflussreichen Deckengemälde der sixtinischen Capelle
gekannt haben, ist im Einzelnen nicht immer leicht anzugeben; bei
mehrern sind diese Einwirkungen ganz deutlich nachweisbar; Michel-
angelo wirkte schon lange als Maler auf die Sculptur, ehe seine
plastischen Hauptwerke zu Stande kamen. Von den 1520er Jahren
an muss dann namentlich die Anwesenheit des Tribolo in Bologna der
römisch-toscanischen Richtung den Sieg verschafft haben.
Schon Vasari sägt, er habe ihnen bloss Marmorfarbo gegeben. Er spricht
davon n. a. bei Anlass eines Besuches des Michelangelo in Illodcna und be-
richtet dessen begeistertes Wort: {Wenn dieser Thon Marmor würde, dann
wehe den antiken StaLucnV