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Sculptur des XVI. Jahrhunderts.
Oberitaliene r.
Begarelli hob nicht eine Bekanntschaft mit dem Alterthum, sondern
eine nahe und unverkennbare Kunstbeziehung zu Ooreggio, wobei
man nicht einmal genau sagen kann, welcher Theil der gebende war 3
sodann die allgemeine Kunsthöhe der Zeit. Seine Einzelformen sind
so schön, frei und reich, als diejenigen A. Sansovincfs, denen sie nicht
gleichen. Allein diess ganze Vermögen steht im Dienste eines Geistes,
der gerade die höchsten Gesetze der Plastik so wenig anerkennt, als
Coreggio die der Malerei.
Allerdings muss man ihm sein Princip zugeben; er arbeitete seine
lebensgrossen Thongruppen Knicht für freie Aufstellung, sondern für
ganz bestimmte Nischen und Capellen, d. h. als Bilder. An die
Stelle des streng geschlossenen Baues der Gruppe tritt eine rein ma-
lerische Anordnung für Einen Gesichtspunkt. Allein innerhalb dieser
Schranken hätte er Wenigstens so streng bleiben müssen als die
strengere Malerei es muss; statt dessen iiberliess er sich bei einem
grossen Schönheitssinn doch sehr dem naturalistischen Schick und
Wurf, dem blossen Streben nach Lebendigkeit und Wirklichkeit. Sein
Gefühl selbst für bloss malerische Linien ist so wenig entwickelt als
dasjenige Ooreggids. Seine Körperbildungen sind meist gering, die
Haltung, sobald sie nicht in einem bestimmten Moment aufgeht, unent-
schieden und unsicher, sodass er in den zur freien isolirten Aufstel-
lung bestimmten Statuen weniger genügt als Manche, die sonst tief
unter ihm stehen.
Sein vielleicht friihstes Werk in Modena ist die Gruppe der um
aden todten Christus Weinenden in S. lNIaria pornposa (Piazza. S.
Agostino, 1. Altar rechts). Hier ist er noch am meisten von lilazzo-
niis Gruppe in S. Giovanni (S. 635, b) abhängig, sowohl in der Anord-
nung als in dem grinnassircnden Ausdruck. Vielleicht folgt zunächst
b das grosse Hauptwerk in S. Franccsco (Galt-links vom Chor): die
Kreuzabnahme. Vier Personen, symmetrisch auf zwei Leitern geord-
net, senken den Leichnam nieder; unten die ohnmiichtige Maria, von
drei Frauen gehalten und umgeben; ein knieender und ein stehender
Heiliger zu beiden Seiten. (Johannes d. T., Hieronymus, Franciscus
und Antonius von Padua.) Dass gerade der Moment der physischen
Anstrengung symmetrisch dargestellt ist, wirkt nicht glücklich; dafür
ist die Gruppe der Frauen malerisch vortrefflich und im Ausdruck