Leopardo.
Die Capella. Zeno.
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unmittelbaren Studium der Antike beruhen muss. Das Beste aber
hat L. nicht aus dieser Quelle; ich meine die wunderbare Siissigkeit
und Milde der reichgelockten jugendlichen Köpfe, die in dieser Zeit
gradezu nur bei Lionardo da Vinei ihres Gleichen findet. Und der
eine herrliche Putto, welcher auf seinem Seepferd so wohlgemuth über
die Wellen gleitet, ist auch wohl ebenso von Leopardo beseelt, wie die
Putten der Galatea es von Rafael sind.
Ausserdem sind notorisch von Leopardo die drei Flaggen-a
halter auf dem Nlareusplatz, deren Figürliches dieselbe Benutzung
antiker Vorbilder mit grossem natürlichem Schönheitssinn verbunden
offenbart I). '
Nach Massgabe dieser Werke hat man nun auszuscheiden, welche
Theile der Seulpturen in der Cap. Zeno zu S. Mai-eo ihm gehören. Es b
handelt sich um eine der prachtvollstexi Grabstätten des XVI. Jahr-
hunderts, diejenige des Cardinals Gio. Batt. Zeno. An dem Saroo-
phag selbst sind wohl die sechs zum Theil den Deckel haltenden
Tugenden von Leopardo; sie erscheinen allerdings freier, ihm mehr
gemiiss, weniger durch die Antike befangen als diejenigen am Grab-
mal Vendramin. Die liegende Statue des Cardinals ist schwer zu
definiren. Auf dem Altar sind die Statuen des Petrus und des 'I'äu-
fers Johannes wohl am ehesten von Pietro oder Antonio Lombardi,
herrliche Köpfe, Welche die unvollkommene Stellung wohl gut machen;
ebenso das Relief des 'l'hronhimmels (Gottvater mit Engeln). Die be-
Hier oder nirgends sind zwei Reliefs unterzubringen, welche zu den schön-
sten in Venedig gehören. In einer Nebencapelln des rechten Querschillesm
von S. Trovaso linde! sich ein Altarvorsatz, der in llacher, etwas unterhöhl-
tcr Arbeit Engelhindei- mit den Passionsinstrumenten (ähnlich denjenigen in
dem mnranesischen Altarbild der Krönung lllariäi in der Aeademie) und seit- H.
wärts musicirende Engel darstellt, von der naivsten Anmnth in Köpfen und
Geberden und mit grossem, raflinirtem Geschick der Verkürznngen. lllan
glaubt ein llorentinisches Werk vor sich zu sehen, bis man dieselbe Behand-
lung in einem Relief der Camura a letto des Dogenpalaszes wieder erkennt; 1-
zwei Ileilige empfehlen den knieenden Dogen und den Patriarchen der thro-
ncnden Madonna; es ist die Seele Giovanni Bellini's in Tdarnmr. Das Chi-i-
stuskind schreitet über der Mutter Knie den lllännern freundlich entgegen.
Ob diese köstlichen Werhe von L. sind, mag zweifelhaft bleiben; aber sie
kommen seiner Art näher als der aller Übrigen.
B. Cicerune. 40