Sculpturen der Marouakirche.
581
Neben der Thätigkeit der Byzantiner nämlich hatte sich auch der
ganz verkommene altchristliche Styl wieder aufgerafft; wir haben bereits
erwähnt, wie aus den Elementen des römischen Styles ein neuer ro-
manischer entstand, und dieser scheint nun in Venedig geraume Zeit
neben dem byzantinischen einhergegangen zu sein. Sein erste-s Lebens-
zeichen sind die peinlich mit Geschichten bedeckten Säulen, welchen
den Tabernakel des Hochaltares tragen; vielleicht eine Reminiscenz
der Trajanssäule, nur nicht in der Spiralfolge, die z. B. S. Bernward
Seinen Reliefs an der Säule auf dem Domplatz zu Hildesheim glaubte
geben zu müssen. (Ungefähr gleichzeitig, im XI. Jahrhundert.) An-
deres dagegen ist von ausgebildetem, zum Theil sehr gutem romani-
Schem Styl, Wie denn diese merkwürdige Kirche auch im Bereich
der Mosaiken neben vorherrschenden byzantinischen Compositionen
auch ein ausgedehntes Denkmal romanischer Malerei die Mosaiken
in der Vorhalle aufweist.
Diese romanischen Scnlpturen finden sich an der Bogeneinfassungb
der mittlern Hauptthür (Fugenden, Sibyllen, Verrichtungen der Monate)
und an derjenigen des Portals der Nordseite (Propheten, Engel, Hei-
lige, nebst einer noch halbbyzantinischen Geburt Christi in dem birn-
förmigen Felde über der Thür). Auch die vier vergoldeten Engel
unter der Mittelkuppel und derjenige an dem einen Pult gehören hie-
her. Einen Übergang in den germanischen Styl zeigt dann die Bogen-
einfassung der Nische über der mittlern Hauptthiir (sitzende und leh-
nende Propheten, eine Menge von Gewerken und Verrichtungen, die
bieinit in den Schutz des heil. Marcns befohlen werden); auch die
Vier Statuetten in der Capelle Zeno, dem Altar gegenüber, gehören
diesem Übergangsstyl, d. h. etwa der ersten Hälfte des XIII. Jahrhun-
derts an. Zwar ist hier nichts, was mit der plastischen Sicherheit und
Fülle eines Bened. Antelami (Seite 562) wetteifern könnte, allein als
belebte und sorgfältige Arbeiten verdienen zumal die letztgenannten
BOgeneinfasSungen alle Beachtung.
Für den vollendeten germanischen Styl Italiens ist sodann die
Marcnskirche eines der wichtigsten Gebäude ausserhalb Tosoanas Im
XIV. Jahrhundert erhielten die halbrunden obern Abschlüsse dcrc
Kirche ihre prächtige Bekleidung mit dem schwnngreichen durchbro-
chellen Laubwerk, den Spitzthiirmchen und einer Menge von Statuen