66 Antike Decoratlon. Marmorne Prachtgeräthe.
Auf die Architektur und bauliche Decoration der Alten folgt
zunächst eine Classe von Denkmälern, in Welchen das architekto-
nische Gefiihl, seiner ernsten Aufgaben entledigt, in freiern Formen
ausbliihen darf. Wir meinen die marmornen Prachtgeriithe der
Tempel und Paläste: Candelaber, 'l'hrone, Tische, Kelchvaseu, Becken,
Dreifiisse und Untersätze derselben. Der Stoff und meist auch die Be-
stimmung geboten eine feierliche Würde, einen Reiehthum ohne eigent-
liche Spielerei. Es sind die Zierformen der Architektur, nur so wei-
ter entwickelt, wie sie sich, abgelöst von ihren sonstigen mechanischen
Functionen, entwickeln konnten. Man sehe z. B. den prachtvollen
avaticanischen Candelaber (Galerie. delle Statue, nahe bei der
Kleopatra); in solchen reichgeschwungenen Blättern muss der Akan-
thus sich auswachsen, wenn er nicht als korinthisches Capitäl ein Ge-
bälk zu tragen hat! Man vergleiche die Stützen mancher Becken und
Kandelaber mit den Tempelsäulen, und man wird dort der stark aus-
gebauchten, unten wieder eingezogenen Form und den schräg ringsum
laufenden Cannelirungen ihr Recht zugestehen müssen, indem die Stütze
der freien Zierlichkeit des Gestiitzten entsprechen musste.
Andere Bestandtheilc dieser Werke sind natürlich rein decorati-
ver Art, doch herrscht immer ein architektonisches Grundgefiihl vor
und hütet den Reichtlulm vor dem Schwulst und der Zerstreuung.
Schon die Reliefdarstellungen an vielen dieser Geriithc verlangten, wenn
sie wirken sollten, eine weise Beschränkung des bloss Decorativen.
Die Fiisse, wo sie erhalten sind, stellen bekanntlich Löwenfiisse
vor, stark und elastisch, nicht als lahme Tatzen gebildet. An Thronen
und Tischen setzt sich der Löwenfuss als Profilverzierimg in schönem
Schwung bis über das Kniegelenk fort; dort löst sich die Löwenhaut
etwa in Gestalt von Akanthusblättern ab und der Oberleib einer Sphinx
oder ein Löwenhaupt oder das eines bärtigen Greifes tritt als Stütze
oder Bekrönung darüber hervor; die Flügel an der Sphinx oder am
Löwenleib dienen dann als Verzierung der betreffenden Seitenwand.
Die horizontalen Gesimse sind durchgängig sehr zart, als blosscr archi-
tektonischer Anklang gebildet; ihre Bekröntmgen dagegen mit Recht
reicher, etwa als Palmettenkranz. Eine gottesdienstliche Beziehung,
direct auf Opfer gehend, liegt in den oft sehr schön stylisirten Wid-
derköpfen auf den Ecken. In den Formen der V a s en herrschen unten