Volltext: Architectur (Bd. 1)

Pompejanische Scenographie. 
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Säulchcn werden theils zu schlanken goldfarbigen Stäben mit Canne- 
lirungen, theils zu Schilfrohren, von deren Knoten sich jedesmal ein 
Blatt ablöst, ähnlich wie an vielen Cendelabern; ja. bisweilen wird 
eine ganze reiche Schale rings umgelegt; auch blüht wohl eine mensch- 
liche Figur als Träger daraus empor. Die Gebiilke, oft mit reichen 
Verkröpfnngen, werden ganz dünn, unten geschwungen gebildet und 
meist bloss mit einer Reihe von Consolen, kaum je mit vollständigem 
Architrav, Fries und Deckgesimse versehen. Dieselbe Leichtfertigkcit 
spricht sich in den Giebeln aus, welche nach Belieben gebrochen, hal- 
birt, geschwungen werden. Wo es sich um Untensieht und Schiefsicht, 
z. B. beim Innern von Dächern etc. handelt, scheint die Perspective 
oft sehr willkürlich und falsch, man wird sie aber in der Regel deco- 
rativ-richtig empfunden nennen müssen. 
Der besondere Schmuck dieser idealen, ins Enge und Schlanke zu- 
sammengeriickten Architektur sind vor Allem schöne Gicbelzierrathen. 
Man kann nichts Anmuthigeres schon als die blasenden 'l'ritone, die 
Vietoricn, die mit dem Ruder ausgreifende Scydla, die Schwäne, 
Sphinxe, Seegreife und andere Figuren, welche die zarten Gesimse 
und Giebel krönen. Dann finden sich Günge, Balustraden, auf wel- 
chen Gefässe, Masken u. dgl. stehen, und ein (mit Maassen angewand- 
ter) Schmuck von Bogenlauben und Guirlanden. Letztere hängen oft 
von einem kleinen goldenen Schilde zu beiden Seiten herunter 1).  
Es giebt auch einzelne Beispiele einer mehr der Wirklichkeit sich 
niihernden Perspective, mit Aussichten auf Tempel, Stadtmauern u. dgl. 
(so im dritten Saal des Museums links, und in den hintern Räumena 
der Casa. del labirinto zu Pompeji); allein im Ganzen hat die obenb 
dargestellte Behandlung das grosse Übergewicht. In einzelnen Bei- 
spielen (Museum, erster Saal unten, rechts) ist die ganze Arehitekturß 
und einige Theile der sonstigen Decoration von hellem Stucco erha- 
ben aufgesetzt, wirkt aber so nicht gut. 
wie die antike, weil durch ihr inneres Gesetz der Entwicklun g nach 
oben der Stolf bereits überwunden ist.  
 Vielleicht nur eine veredelte Reminiscenz der Eimerkette, welche von ihrer 
Rolle herunter-hängt. Man wird erst spät inne, aus wie kleinen Motiven die 
Kunst Zicrliches und selbst Schönes zu schaffen weiss. 

	        
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