Pompejanische Scenographie.
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es sich nicht_ anders; im Tepidarium der 'l'hern1en von Pomp ejil
verfolge man z. B. den grossen weissen Rankenfries, und man wird
die sich entsprechenden Pllanzenspiralen (je die vierte) jedesmal ab-
weichend und frei gebildet finden. (Das kleine Gesirnse unten daran
scheint allerdings einen sich wiederholenden Modcl zu verrathexl, da
hier die Anfertigung von freier Hand eine gar zu nutzlose Quälerei
gewesen Wäre.) Die Künstler aber, um die es sich hier handelt,
waren blosse Handwerker einer nicht bedeutenden Provincialstadt. Sie
haben ganz gewiss diese Fülle der herrlichsten Zier-Motive so Wenig
erfunden als die bessern Figuren und Bilder, die sie dazwischen ver-
theilten. Ihre Fähigkeit bestand in einem unsäglich leichten, kühnen
und schönen Reeitiren des Auswendiggelerxiten; dieses aber war ein
Theil des allverbreiteten Grundcapitals der antiken Kunst.
Eine solche Decoration konnte allerdings nur aufkommen bei der
Bauweise ohne Fenster, die uns in Pompeji so befremdlich auffällt.
Diese Malerei verlangte die ganze XVand, um zu gedeihen. Weniges
und einfaches Hausgeriith war eine weitere Bedingung dazu. Wer im
Norden etwas Ähnliches haben will, muss schon einen Raum beson-
ders dazu einrichten und all den liehen Comfort daraus weglassen.
Der Inhalt der Zierrathen ist im Ganzen der einer idealen per-
spectivischen Erweiterung des Raumes selbst durch Architekturen,
und einer damit abwechseludeil Beschränkung durch dazwischen ge-
setzte Wandflächen, die wir der Deutlichkeit halber mit unsern spani-
schen NViinden vergleichen wollen. An irgend eine scharf consequente
Durchführung der baulichen Fietion ist nicht zu denken; das Allge-
meine eines wohlgefiilligen Eindruekes herrschte unbedingt vor.
Die Farben sind bekanntlich (zumal gleich nach der Auffindung)
sehr derb: das kriiftigste Roth, Blau, Gelb ete; auch ein ganz unbe-
dingtes Schwarz. Auf eine dominirende Farbe war es nicht abgesehen;
rothe, violette, grüne Flachen bedecken neben einander dieselbe Wand.
Ungleich auffallender ist, dass man durchaus nicht immer die dunk-
lern Flächen unten, die hellern oben anbrachtc. Eine Reihe von Stücken
einer sehr schönen Wand (Museum dritter Saal links) beginnt untenl
mit einem gelben Sockel, fährt fort mit einer hochrothen Hauptiliiche
und endigt oben mit einem schwarzen Fries; freilich findet sich an-
derwiirts auch das Umgekehrte.