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Der Barockstyl.
ausgedehnte) Ganze gebracht. In kleinem Kirchen findet man über-
haupt die originellsten Ideen, freilich oft im allerbarocksten Ausdruck.
Übrigens wünschte man auch in dem gewöhnlichem Typus, wie
er seit dem Gesu in Rom sich festgestellt hatte, immer neu zu sein.
So suchte der Barockstyl z. B. für das Aniistützen der Kuppel auf
die vier Hauptpfeiler oder Mauermassen unablässig nach einem leich-
tern und elegantern Ausdruck als ihn etwa S. Peter darbot. Es wur-
den vor den Pfeiler nach beiden Seiten hin Säulen mit vorgekröpftem
Gebälk doch nur als Scheinträger aufgestellt, u. s. w. Eine der
ageistvollsten Lösungen des Problems bietet der Dom von Brescia,
wo in den Pfeiler zweiWinkel hineintreten, vor welchen freistehende
Säulen angebracht sind; keine Kuppel scheint leichter und sicherer
zu schweben als diese.
Die Beleuchtung der Kirchen ist, rein vom baulichen Gesichts-
punkt aus, fast durchweg eine glückliche: bedeutendes Kuppellicht
(wenn die Vorhänge nicht geschlossen sind i), Fenster im Tonnen-
gewölbe des Hauptschiiies, grosse und hoch angebrachte Lunetten-
fenster in den Quer-schiffen, kleinere in den Capellen; also lauter
Oberlicht, gesteigert je nach der Bedeutung der betreifenden Bau.-
theile. Aber die Altargemiilde kommen dabei erstaunlich schlecht
Weg; von denjenigen in den Seiteneapellcn ist kein einziges auch nur
erträglich beleuchtet. Wo SeitenschiHe angebracht sind, erhalten
sie womöglich eigene Kuppelchen, welche ihnen durch Cylinderfenster
und Lanterninen wenigstens so viel Licht zuführen, dass die an-
stossende Seitencapelle nicht ganz dunkel bleibt.
Dieses ganze Formensystem offenbart sich am Vollstiindigsten und
von der günstigsten Seite in solchen Kirchen, Welche entweder farb-
Ios oder doch nur mässig decorirt sind. Wie in der nächstvorher-
gehenden Epoche S. Maria di Oarignano in Genua, so verdient in
b dieser der oftgenannte Dom von Brescia hell steinfarbig von unten
bis zu den einfachen Cassetten der Kuppelschale hinauf den Vor-
zug der Schönheit vor mehrern Kirchen, die in der Anlage eben so
etreiiiich, dabei aber überladen sind. Der Dom von Spoleto (um 1640)
verdankt seine Wirkung sogar einzig der Farblosigkeit. Einzelne vor-