Neuere Gestalt des Langhauses.
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Das Hauptziel des Barockstyls ist: möglichst grosse Haupträume
an Einem Stücke zu schaffen. Dieselben Mittel, mit Welchen die Re-
naissance lange, mässig breite Hauptsehitfe, geräumige Nebenschife
und Reihen tiefer Capellen zu Stande gebracht, werden jetzt darauf
Verwandt, dem Hatiptsehiä und Quersehiff die möglichste Breite und
Höhe zu geben; die NebensehiHe werden entweder stark redueirt oder
ganz weggelassen; die Capellcn erhalten eine oft bedeutende Höhe
lllld Grösse, aber Wenig Tiefe. (Natürlich mit Ausnahme der zu be-
Sondern Cultuszweeken eigens angebauten.) HMan sieht, dass es sich
wieder um eine Seheinerweiterung handelt; das Auge soll die Ca-
peilen, obschon sie blosse Nischen geworden sind, fiir Durchgänge
zu vermuthlichen Seitenräumen ansehen.
Der Breitbau zog den Hochbau nach sich. Man lindet fortan über
dem Islauptgesimse fast regelrnässig eine hohe Attica, und über dieser
erst setzt das Tonnengewölbc an.
Nun tritt auch jene Vervielfachung der Gliederungen (S. 368) in
ihr Wahres Lieht. Ausser der perspectivisehezi Seheinbereieherung
liegt ihr das Bewusstsein zu Grunde, dass der einzelne Pilaster bei
den oft ungeheucrn Entfernungen von Pfeiler zu Pfeiler nicht mehr
genügen würde. (D. h. dem Auge, und nur als Seheinstütze, denn
eonstructiv hat er ohnehin keine Bedeutung.)
Ferner ergiebt sich nun noch ein letzter und entscheidender Grund
gegen den Basilikenbau. Die Situlen hätten bei den Verhältnissen,
die man jetzt liebte, in enormer Grösse errichtet werden müssen. Kein
Wunder dass jetzt auch die Halbsäulen, Welche noch Palladio so gerne
zur Bekleidung der Pfeiler verwandte, im Ganzen selten werden. Es
setzt sich der Gebrauch fest, die Säulen überhaupt nur noch zur Ein-
fassung der Wandaltäre anzuwenden, in welcher Funetion sie dann
gleichsam das bewegliche Element des Erdgeschosses ausmachen. Ihr
möglichst prächtiger Stoff (bunter Marmor und, WO die Mittel nicht
reichten, Stuekniarmor) löst sie von der Architektur des Ganzen ab,
doch Wollen sie vor der Zeit Berninfs die Linien des Gebäudes noch
nicht ohne Noth stören; ja der I-Iauptaltar richtet sich bisweilen mit
seinen Freisäulen nach der Ilauptpilasterordnung der Kirche, und
ebenso die Altäre der Capellen nach der Pilasterordnung der letztem