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Der Barockstyl.
sondern marmorne Schreinerarbeit sind. Die kleinlichsten Gedanken
der venezianischen Frührenaissance spuken hier in barocken Wulst
gehüllt fort; es ist die Fantasie jener Schränke von Ebenholz, Elfen-
bein und Email (Studioli), die damals mit schwerem Aufwand für die
Paläste der Grossen beschafft wurden. Der Platzmangel nöthigte wohl
zu einer conceutrirten Pracht, allein diese konnte sich auch im Ba-
rockstyl würdiger ausdrücken als durch solche Puppenkasten.
Übrigens war die Herrschaft dieser Fassadenform in Italien keine
lange und keine durchgehende; im XVIII. Jahrhundert sind die wich-
tigsten Fassaden wieder alle geradlinig; so die sehr colossale von S.
aPietro in Bologna. und die sich schon dem neuern Olassicismus nä-
hhernde am neuen Dom von Breseia; in Rom diejenige von S. Gio-
cvanni de, Fiorentini, welche Aless. Galilei in Ermanglung der
durch Nachlässigkeit verlorenen Zeichnungen Michclangelds entwarf,
ohne sich in die der altern Zeit angehörige Anlage mit breiten Neben-
schiffen Wieder hineinünden zu können. Von ihm ist auch die Fas-
dsade des Latcraws I), wo das vorgeschriebene Motiv einer obern Log-
gia über einem untern Vestibul wahrhaft grossartig von einer riesigen
Halle Einer Ordnung eingefasst ist, die sich oben in fünf Bogen, unten
in fünf Durchgängen mit geradem Gebälk ölfnet. (Lehrreiehe Parallele
mit der in jeder Beziehung schlechtem Fassade von S. Peter.) F uga,
ewcleher einige Jahrzehnde später (1743) nach einem ähnlichen Pro-
gramm die Fassade von S. Maria maggiore baute, kehrte zu dem
System zweier Ordnungen zurück, und schuf ein Werk, welches zwar
durch reiche Abwechselung und durch den Einblick in Loggia. und
Vestibul malerisch wirkt, aber selbst abgesehen von den sehr aus-
gearteten Einzelformen kleinlich und durch die Seitenbauten gedrückt
erscheint. Gleichzeitig entstand freilich noch viel schlechteres, z. B.
fdie gewundene Fassade und Vorhalle von S. Croce in Gerusalemme
(von Gregorini). Und doch hatte für kleinere Kirchen mit Vor-
halle und Loggia schon Pietro da Cortona um 1680 ein so tüch-
gtiges Muster aufgestellt wie S. Maria iuvia lata (am Corso).
Ausser jenen geschwungenen Fassaden kommen übrigens noch
1) Die hintere Fassade gegen den Obelisken, wo früher die Benedictionen er-
theilt wurden, ist eine gute Doppelhalle aus der Zeit Sixtus V.