Volltext: Architectur (Bd. 1)

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gekannt wie er. Die Frucht hievon war, dass er das Ganze und die 
wirksame Aufeinanderfolge der einzelnen Glieder des antiken Binnen- 
raumes (Säulenstelltmgen, Pilaster, Nischen n. s. w.) mit einer Sicher- 
heit und Originalität für jeden einzelnen Fall neu und anders repro- 
duciren konnte wie kein Zeitgenosse.  Im Detail hielt er sich fern 
von der ornamentalen Pracht der Kaiserbauten; sei es, dass er eine 
Verdunkelung des Hauptgedankens (lurch dieselbe fürchtete, oder dass er 
die vorhandenen Mittel lieber auf die Grossartigkeit der Anlage wandte, 
oder dass er dem frühern Alterthum auf diese YVeise näher zu kommen 
hoßte. Seine Capitäle, Gesirnse u. s. w. sind meist einfach, das Vegetabi- 
lische möglichst beschränkt, die Consolen ohne Unterbliitter u. s. w. Oft 
entsteht dadurch ein Eindruck des Nüchternen und Kalten, wie er 
gerade ailch den frühern Römerbauten mag eigen gewesen sein; allein 
das Detail wird wenigstens nie verachtet und barock gemisshandelt, 
wie bei den Spätern; ein hoher Respect vor dem Überlieferten schützte 
den Meister vor den Abwegen. 
Er ist der letzte und vielleicht höchste unter denjenigen Archi- 
tekten des XVI. Jahrhunderts, welche in der Kunst der Proportionen 
und Dispositionen gross und eigenthümlich gewesen sind. Was bei 
der Einleitung zu dieser Periode gesagt wurde, kann hier mit ganz 
besonderer Beziehung auf ihn zum Sehlnsse wiederholt werden: die 
Verhältnisse sind hier nicht streng organischen, nicht constructiven 
Ursprunges und können es bei einem abgeleiteten Styl nicht sein; 
gleichwohl bilden sie ein echtes künstlerisches Element, das seine 
sehr bestimmte Wirkung auf den Beschauer äussert und das aus- 
gebildetste Gefühl im Künstler selbst voraussetzt. Wir dürfen bei 
unserer jetzigen Kenntniss der echten griechischen Bauordnungen die 
copirten römischen Einzelformen Palladids völlig verschmähen, aber 
derjenige Baumeister muss noch geboren werden, welcher ihm in der 
Raumbehandlung  sowohl der Grundfläche als des ALIfIIlSSGS  
irgendwie gewachsen wäre. Allerdings liess ihm bei den Palästen 
der vicentinische Adel eine Freiheit, wie sie jetzt Keinem mehr ge- 
gönnt wird; die Bequemlichkeit Wurde der Schönheit des Griuidrisses, 
der Fassade und des Hofes mannigfach atifgeopfert. Um diesen Preis 
erhielt Vicenza und die Umgegend eine Anzahl von Gebäuden, welche 

	        
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