Volltext: Architectur (Bd. 1)

Michelangelo und Maderna. 
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und das Ganze überhaupt auf seine wesentlichen Formen reducirt, so 
übt es einen architektonischen Zauber, der sich bei jedem Besuch 
erhöht, nachdem der historische Phantasieeindruck längst seine auf- 
regende Kraft verloren hat. Ilauptsiichlich das harmonische Zusam- 
menwirken der zum Theil so ungeheuern Curven verschiedenen Ranges, 
welche diese Räume uln- und überspannen, bringt (wie ich glaube) 
jenes angenehm traumartige Gefühl hervor, welches man sonst in 
keinem Gebäude der Welt empfindet, und das sich mit einem ruhigen 
Schweben vergleichen liesse. (Das Innere grosser gothischer Kathe- 
dralen giebt den entgegengesetzten Eindruck eines unaufhaltsam raschen 
vziufwiirts!"  der ebenfalls imvergleichlieh ist in seiner Art.) 
Die nächsten Seitenrtiume und Eckcapellen sind wohl in der An- 
lage nach Michelangelds Entwurf gebaut, aber ihr ganzer Schmuck, 
sowohl die Marmorbekleidung der Pfeiler und Wände als die Mo- 
saiken und Statuen sind spätem Ursprimges und die Farbenwirkung 
ist gewiss eine ganz andere als die, welche er beabsichtigte. 
Doch im Grossen wich erst Carlo M aderna, auf Geheiss 
Pauls V (seit 1605), von dem Plane Michelangelok ab; durch den 
WVeiterbau des vordern Armes wurde das Kreuz Wieder ein lateinisches 
und die Kirche auch nach der Längendimension die grösstc der WVelt. 
Unter dem Einfluss der damaligen Bauprineipien wurde das Mittel- 
schiff möglichst weit und gross bei einer doch im Verhältniss nur 
miissigen Länge; Madernafs Pfeiler stehen beträchtlich weiter aus- 
einander als die der hintern, ältern Theile. Dafür wurden die Neben- 
schiffe nur klein, und zwar in ovale Kuppelräume getheilt, an welche 
sich Capellen, d. h. ziemlich flache Nischen ansehliessen. Im dritten 
Buche des Serlio sieht man, Welche ganz andere Bedeutung Rafael 
in seinem Plan eines lateinischen Kreuzes diesen Partien im Verhält- 
niss zu dem ungleich schmälern Mittelschiff zugedacht hatte. In Ma: 
dernzfs Bau verhindert überdiess die beträchtliche Breite der Pfeiler 
den reichern Einblick in die Nebenschilie, sodass diese für die VVirkung 
im Grossen kaum in Betracht kommen.  Aussen ging der vordere 
Anblick der Kuppel für jeden nahen Gesichtspunkt verloren, und es 
musste eine neue Fassade eomponirt werden , diessmal als breite 
Fronte, indem die Rücksicht auf die drei übrigen abgerundeten Arme 
des Kreuzes wegtiel. Von aller Beziehung zur Kuppel und zum Rest 
B. Ciceruzze. 22
	        
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