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Die Ursprünge der modernen Baukunst und Decoration, bei Wel-
chen wir dem innern Werthe und den Architekten zu Gefallen etwas
umständlicher verweilen Wollen, heissen in der jetzigen liunstsprache
die Renaissance. Schon die betreffenden Künstler selbst glaubten
an eine mögliche XVicdergeburt der ganzen antiken Architektur und
meinten diesem Ziele Wirklich sich zu nähern; in der That aber be-
kleideten sie nur die von ihnen selbst geschaifenen Compositionen mit
den antiken Detailformen. Die römischen Baureste, so grosse Begei-
sterung ihnen im XV. Jahrhundert gewidmet wurde und so viel reich-
licher als jetzt sie auch vorhanden waren, gaben doch für die Lösung
der damaligen Aufgaben zu Wenige unbedingte Vorbilder. Für mehr-
stöckige Bauten z. B. war man fast einzig auf die römischen Theater
und auf das damals noch vorhandene Septizonium Severi (am Fuss
des Palatin) angewiesen, welches letztere denn allerdings einen be-
deutenden Einfluss ausübte; für Prachtbekleidimg von Mauern fand
man nichts Besseres vor als die lüiumplibogen. Von irgend einer
Unterscheidung der Epochen war noch nicht die Rede; man nahm das
Alterthum als Ganzes zum Muster und berief sich auf das Späteste
wie auf das Frühste.
Es wird bisweilen bedauert, dass Brunellesco und Albßfßi nicht
auf die griechischen Tempel statt auf die Bauten von Rom stiessen;
allein man vergisst dabei, dass sie nicht eine neue Compositionswcise
im Grossen, sondern nur eine neue Ausdrucksweise im Einzelnen von
dem Alterthunl verlangten; die Hauptsache brachten sie selbst mit
und zu ihrem Zweck passten gewiss die biegsamen römischen Formen
besser.