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Gothische Architektur.
Kirchen von Venedig.
ist kaum zu rechtfertigen, wenn auch dieselbe nicht urkundlich ge-
sichert sein sollte. So viel wird Jedermann zugeben, dass diese gran-
diose Kirche kein einheimischer venezianischer Gedanke ist, dass sie
auf das Stärkste contrastirt mit aller sonstigen venezianischen Raum-
behandhfng. Das Innere ruht auf hohen Rundpfeilern; die Anord-
nung ist hier schon ganz italienisch, so dass das Mittelschiff aus mög-
lichst grossen Quadraten besteht, die Seitenschiife aus oblongen Ab-
theilungen. Sonderbarer Weise geschieht der Abschluss des prächti-
gen Chores mit seinen Doppelfenstern und derjenige der sechs Capel-
len an der Rückseite des Querschiffes nicht durch ein Fenster, sondern
durch einen Pfeiler i). Am Äussern ist der Backstein noch ohne das
Raffinement der spiitern Gothik behandelt; Stein ist nur an den weni-
gen Baldachinen über den Griebeln und an den (kenntlich friihgothi-
scheu) Portalen gebraucht. Der Abschluss der Fassaden giebel in sonderbar
geschwungenen Mauerstücken ist eine venezianische Zuthat; die echten
alten geraden Linien Niccolifs laufen noch wohlerhalten darunter hin.
Die Nebenseiten erinnern ganz an S. Maria novella.
Um dieselbe Zeit soll „von Dominicanerxi, Welche Niccolifs Schii-
aler waren", S. Giovanni e Paolo in Venedig erbaut worden
sein. Diese Kirche ist die höhere Stufe der cbengenannten; sie ver-
meidet die Übelstäilde derselben. Die Verhältnisse sind beträchtlich
schlanker und schöner; die hintern Abschlüsse geschehen durch "Inter-
valle (Fenster), nicht durch Pfeiler. Über der Kreuzung wurde eine
Kuppel angebracht. Nur die Fassade weicht von der edehi Einfach-
heit der Frari ab; sie sollte mit Marmor incrustirt werden und blieb
unvollendet.
Endlich soll Niccolö Pisano auch die berühmte Kirche des heil.
bAntonius in Padua (il Santo) erbaut haben, welche 1256 be-
gonnen wurde. gDass der Santo den Frari in der Anlage auf keine
Weise gleicht, hwäre kein Beweis gegen Niccolbis Urheberschaft; die
Aufgabe war hier eine andere, nämlich die, ein Gegenstück zur Mar-
cuskirehe zu schaffen; eine Grabkirche zu Ehren des grossen neuen
Heiligen von Oberitalien. Griff man vielleicht in einem nur halb be-
Man erinnere sich der Galerien lucchesischer Fassaden, wo
chen statt eines Intervalles auf die Mitte trilTt. Vgl. S. 107.
auch
ein Säul-