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Gothische Architektur.
Kirchen von Assisi.
erbaute Meister Jacob der Deutsche (1218-1230?) die Doppelkirche
aS. Francesco zu Assisi. Sie ist eine der Wenigen Kirchen Ita-
liens, welche das System der nordischen Bildung des Pfeilers (als
Saulenbündel) in einiger Reinheit aufweisen. Allein schon die Ge-
wölberippen sind ohne die nordische Schärfe, vielmehr als breit profi-
lirte Träger gemalter Ornamente gestaltet, und in der Gesammtdispo-
sition hat das italienische Raumgefühl mit seinen möglichst grossen
Quadraten das Feld behalten. (Die genannten Ornamente der Gewöl-
bebänder und Rippen sind, beiläufig gesagt, das bestimmende Vorbild
für die ganze Gewölbedeeoration der mittelitalischen Gothik 1) gewor-
den, wie sie es mit ihrer lehensvollen Eleganz verdienten; im dritten
Gewölbe der Oberkirehe, vom Portal aus gezählt, ist sogar noch die
ganze dazu gehörende Deckenmalerei von Cimabue erhalten.) Die
Mauern der Oberkirche sowohl als der Unterkirche sind mit ihren
nur mässigen Fenstern hauptsächlich den Fresken gewidmet. Die Stre-
bepfeiler aussen an der Mauer nicht eckig, sondern halbrund, Wen-
deltreplscn enthaltend. An der schönen Hnuptpforte (unten links) ein
merkwürdiges Schwanken zwischen antiker und gothischer Einzelbil-
dung. Das Innere der Oberkirche als Ganzes höchst würdig und im-
posant. (Die Orypta unter der Unterkirehe durchaus modern.)
bS. Chiara in Assisi giebt ähnliche Motive einfacher wieder; die
grossen Strebebogen nur des Abhanges Wegen errichtet.
Diese Gebäude warfen ein weites Licht über die Gegend und tru-
gen zum Sieg des gcthischen Styles in Mittelitalien nicht wenig bei.
Mit S. Francesco nahm der ganze grosse Orden, der von dem dort
begrabenen Heiligen den Namen führt, Partei für die Neuerung, und
daneben durfte auch der Dominicanerorden nicht zurückbleiben. Die
wichtigsten Kirchen der beiden mächtigen Genossenschaften werden
noch besonders zu nennen sein; hier ist nur auf den allgemeinen Ty-
pus aufmerksam zu machen, der sich für ihre Gotteshäuser feststellte.
Die nordischen Bettelordenskirchen des XIII. und XIV. Jahrhunderts
sind bekanntlich dreischifüge ilachgedeckte Säulenkirchen mit möglichst
i) Eine freiere Ausfüllung und Einfassung der Glieder mit Laubwerk auf weis-
x. sem Grunde wurde z. B. in S. Anastasia zu Verona versucht, doch nicht
mit besonderm Glück.