Allgemeine Züge.
127
als Glockenbehälter (Campanili) liessen sie weder der Sache noch dem
Wort nach in Vergessenheit kommen. Nun stand ihnen für die Fas-
Sade jede Form frei; die Folge war eine bereicherte Umbildung der
Fassaden ihrer romanischen Kirchen, meist als isolirtes Prachtstück
behandelt, das mit dem übrigen Bau nur äusserlich zusammenhängt
und ihn schon an Grösse zu überragen pflegt.
Wenn man von der Pracht des lilaterials, der Marmorseulpturen
und Mosaiken an den wenigen wirklich ausgeführten Fassaden dieser
Art (Siena, Orvieto) nicht mehr geblendet ist, so wird man
gerne zugestehen, dass in ihnen nicht das grösste Verdienst des Baues
liegt, gerade weil sie am meisten mit gothischen Elementen, die hier
decorativ gemissbraucht werden, erfüllt sind. Am ganzen übrigen Bau
aber wird man das Gothische selbst als Zierform nur wenig ange-
wandt, ja vielleicht auf Fenster und Thiiren beschränkt finden; selbst
die Hauptbogen, welche das Oberschiif tragen, sind seit dem XIV.
Jahrhundert und bisweilen schon früher wieder rund. Und das
ObersehiiT selbst, Wozu die in Deutschland gebräuchliche Höhe, die
das Doppelte der Seitenschiiie beträgt? Zu den engen Pfeilerstellun-
gen des Nordens gehörte sie als nothwendige Ergänzung; über den
weitgespannten Intervallen der italienischen Kirchen wäre sie schon
mechanisch bedenklich und für das Gefühl überflüssig gewesen, und so
erhielt das Mittelschiff nur diejenige Überhöhung, welche der Kirche
ein mässiges Oberlicht sicherte. (Am Dom von Per ugia sogar die
drei SchiHe gleich hoch, wie an der Elisabethküche zu Marburg,
S. Stephan in Mainz etc.) Die Fenster, welche in den Cathedralen
des Nordens die ganze verfügbare Wandiläehe in Anspruch nehmen
und recht eigentlich als Negation derselben geschaffen sind, durften
in Italien wieder auf eine massige Grösse herabgesetzt werden, da
man hier gar nicht den Anspruch machte, alles Steinwerk nur so weit
zu dulden, als es sich in strebende Kräfte auflösen liess; die Wand-
fiäche behielt ihr Recht wie der Raum überhaupt. Endlich zeigt
die Pfeilerbildung, dass wenigstens die mittelitalienischen Baumeister
im Stande waren, das Detail nach denrGanzen ihres Baues nicht
51058 zu modificiren, sondern neu zu schaffen. Die herübergekomme-
Ben Deutschen, wie der Meister Jakob, welcher S. Franeesco zu Assisi
und den Dom von Arezzo schuf, halten noch einigermassen an dem